Rede zur BDP-Parteiversammlung vom 27. April 2017

Es gilt das gesprochene Wort

Frau Regierungsrätin
Herr alt-Bundesrat

Liebe aktuelle und ehemalige Mitglieder des nationalen und des kantonalen Parlamentes
Liebe BDP Mitglieder, Liebe Gäste

Herzlich willkommen zur Parteiversammlung der BDP des Kantons Bern.
Es ist eine Tradition, dass der Präsident zu Beginn der Versammlung einen kleinen Tour‘ d‘ horizon über die aktuelle politische Lage macht. Die ändert sich im Moment in zum Teil bedenkliche Richtungen. Wir merken es einmal mehr rund um den Abstimmungskampf über die Energiewende.
Ich nehme dieses Eingangsvotum jeweils als Anlass mit ihnen ein paar grundsätzliche Gedanken zu teilen. Mit grosser Spannung haben wir am letzten Wochenende die Wahlen in Frankreich verfolgt und festgestellt, dass dort jetzt der Kandidat der Mitte Macron gegen die Rechtspopulistin Le Pen antritt. Wir haben auch festgestellt, dass sich der neue amerikanische Präsident während dem Wahlkampf das Regieren etwas einfacher vorgestellt hat und wir haben auch festgestellt, dass man gleich in mehreren Regionen nicht weit von uns weg sämtliche Kontrollmechanismen der Demokratie ausschaltet um die Macht zu zementieren.
Glücklicherweise funktionieren in der westlichen Wertegemeinschaft diese Kontrollmechanismen nach wie vor weitgehend: Die Gewaltenteilung zwischen Legislative, Exekutive und Judikative und das Zusammenspiel mit der in Anführungsstrichen „vierten Staatsgewalt“ – der freien Presse.
Die USA hat bisher den Stresstest für ihre Demokratie bestanden. In der Türkei hat dieser Stresstest versagt. Die Entwicklungen in Polen und Ungarn beobachten wir mit Sorge.

Wir müssen achtsam sein, dass unsere Demokratie uns erhalten bleibt. Dazu braucht es keine Destruktion, sondern Konstruktion. Es braucht ein funktionierendes Staatswesen und es braucht eine qualitativ hochstehende Presse, die unvoreingenommen, kritisch und fundiert analysiert und sich nicht darauf beschränkt dem Kollegen abzuschreiben oder sich als verdecktes Sprachrohr einer bestimmten Meinung zum Durchbruch zu verhelfen.
Es kommt nicht von ungefähr, dass Staaten wie Polen, Ungarn und die Türkei die kritische Presse verbieten.
Die Presse in der Schweiz wird zwar glücklicherweise nicht vom Staat kontrolliert, sie ist jedoch immer mehr kommerziellen Sachzwängen ausgesetzt. Böse Zungen behaupten, dass man in der Schweiz ja die Zeitungen nicht verbieten müsse, man könne sie einfach kaufen.

Es gibt diesbezüglich neuere Entwicklungen, die mir Mut machen:
Gerade gestern war zu erfahren, dass das Projekt R erfolgreich das neue digitale Magazin „Die Republik“ gegründet hat. Ich zitiere von der Homepage dieses Magazins:
„Die Republik ist eine kleine Rebellion. Für den Journalismus. Und gegen die Medienkonzerne. Denn die grossen Verlage verlassen die Publizistik: Sie bauen sich in hohem Tempo in Internet-Handelshäuser um. Das ist eine schlechte Nachricht für den Journalismus. Aber auch für die Demokratie. Denn ohne vernünftige Informationen fällt man schlechte Entscheidungen. Eine funktionierende Demokratie braucht funktionierende Medien. Und dafür braucht es nicht nur Journalistinnen und Journalisten, sondern auch Sie. Als Leserinnen. Als Bürger. Als Menschen, die bereit sind, etwas Geld in unabhängigen Journalismus zu investieren. Es ist Zeit, selbst Verantwortung zu übernehmen. Unsere Aufgabe dabei ist, eine zeitgemässe Form für den Journalismus zu entwickeln. Die Republik wird ein schlankes, schlagkräftiges Magazin im Netz. Mit dem Ziel, bei den grossen Themen, Fragen und Debatten Klarheit und Überblick zu bieten. Und das aufrichtig, ohne Schnörkel, mit grossem Herzen. Unser Ziel dabei ist, gemeinsam mit Ihnen ein neues Modell im Medienmarkt zu etablieren: kompromisslos in der Qualität, ohne Werbung, finanziert von den Leserinnen und Lesern. Es ist Zeit für Journalismus ohne Bullshit.“

Unabhängiger Journalismus vor dem Kommerz. Ich bin sehr gespannt auf dieses Magazin.

Nebst der Presse gibt es auch die kritischen Geister, die gewisse Entwicklungen hinterfragen. Sehr rasch werden diese als „die geistigen Eliten“ dargestellt, mit der Absicht sie als quasi ahnungslose darzustellen, die primär an sich selber denken. Es kommt mir manchmal vor als müsste man sich dafür schämen eine akademische Ausbildung genossen zu haben. Interessanterweise sind jene, die solches äussern oft selbst Akademiker und versuchen sich über die Diffamierung Dritter den Mantel der Leute des Volkes überzustreifen.
Neulich gab es in Thun ein Streitgespräch zwischen Flavia Kleinert von der Operation Libero und Roger Köppel. Auf die Frage, ob in der Politik Lügen zulässig seien hat er laut Pressebericht geantwortet: „Mehrheit vor Wahrheit! Denn in der Schweiz ist das Volk als stimmberechtigte Einheit am Ende der Souverän des Staates und bestimmt was es glauben will.“
So einfach die Aussage daher kommt, so brisant ist deren Inhalt. Man könnte es auch so ausdrücken:  Wenn die Mehrheit bestimmt hat, dann spielt es keine Rolle ob sie das aufgrund von sachlichen Argumenten oder aufgrund von „alternativen Fakten“ gemacht hat.
Wenn sie dazu kommen, dann schauen Sie sich das Video des deutschen Slam-Poeten Nico Semsrott an in dem er den Unterschied zwischen Aufklärung und Fanatismus erklärt. Er hat nicht Unrecht wenn er sagt, dass die Aufklärer die Lage zuerst analysieren und sich dann aufgrund von Fakten eine Meinung bilden. Der Fanatiker macht es umgekehrt: Er hat die Meinung und bastelt sich dann die Fakten so zusammen, dass seine Meinung stimmt. Alternative Fakten sagt man dem.

Die grosse Frage ist, wie sich die Leute informieren, wenn sie Entscheidungen treffen müssen.
In meiner Jugend gab es keinen Streit darüber welche Sendung im Fernsehen geschaut wird. Es gab nur einen Sender. Es war auch klar, dass am Mittagstisch während der 12.30 Nachrichten im Radio absolutes Sprechverbot herrschte.
Mit der Vergrösserung der Medienlandschaft wurden Regeln des Journalismus und die Selbstkontrolle über den Presserat eingeführt. Mit der Ausbreitung der sozialen Medien ist das kaum mehr möglich. Fakenews ist das neue Unwort. News, die sich wie ein Lauffeuer verbreiten und jeglicher Grundlage entbehren. Kontrollmechanismen für pornografische Bilder gibt es, für Fakenews wurden sie angekündigt, dabei ist es bisher geblieben. Man spricht sogar davon, dass damit der Brexit, die Wahlen in den USA und jetzt auch die Wahlen in Frankreich so manipuliert werden.

Die Schwierigkeit ist, diesen Behauptungen mit Fakten zu begegnen. Ich erlebe es oft, dass die Diskussionen alleine darin bestehen, dass die eine Seite faktenfreie Behauptungen in den Raum stellt und die andere Seite vor lauter Richtigstellungen kaum dazu kommt die positiven Argumente darzulegen. Eine neue Art der politischen Debatte, die bewusst darauf ausgelegt ist, den Eindruck der Überforderung der „classe politique“ zu bestätigen.
Es geht sogar so weit, dass man einem Milliardär abkauft, dass er primär an die einfachen Bürgerinnen und Bürger denkt. Ich meine damit nicht nur den neuen amerikanischen Präsidenten, man muss gar nicht so weit gehen, bis man auch hierzulande einen findet.

Und genau das ist das aktuelle Dilemma unserer Partei. Wir sind dadurch entstanden, dass einige Leute diese Entwicklungen nicht mehr mittragen wollten. Diese Leute haben sich zurück erinnert an die Ur-Bürgerlichen Werte für die die BGB einmal stand. Das ist an sich gut. Nur wird mittlerweile der Populismus zur Normalität. Was heute salonfähig ist, war vor Jahren völlig undenkbar.
Sehr oft wird darüber diskutiert mit welchem Alleinstellungsmerkmal sich denn die BDP von anderen Parteien unterscheide und meinen damit, dass wir uns analog der anderen Parteien ein Einthemenmäntelchen anziehen müssen. D.h. Asyl, Wirtschaft, Familie, Grün oder soziale Gerechtigkeit. Das mag sein, dass ein einschlägiges Thema mehr wirkt als das was wir aktuell tun.
Aber der Grund weshalb ich der BDP beigetreten bin, war genau die Rückbestinnung auf die bürgerlichen Werte.
Ich kann hier nur das wiederholen, was ich schon bei früheren Gelegenheiten gesagt habe:
Die BDP hat sich auf die Fahne geschrieben faktenbasierte Entscheidungen zu treffen. Sie hat sich insbesondere auf die Fahne geschrieben die Ur-Bürgerlichen Werte hochzuhalten.
Für mich heisst bürgerliche Politik mit Vernunft und Verantwortung nicht nur für sich selber sondern in erster Linie für das Allgemeinwohl zu politisieren und dabei das gute Gewissen gegenüber der Gesellschaft und kommenden Generationen zu wahren. Denn Freiheit ganz allgemein setzt verantwortungsvolles Handeln zwingend voraus. Die Grenze von eigenverantwortlichem Handeln zur Entsolidarisierung und zum Egoismus liegt dort, wo das gute Gewissen gegenüber der Gesellschaft aufhört. Dazu gehört auch, dass man den gesellschaftlichen und ökologischen Entwicklungen Rechnung trägt und den Blick nach vorne richtet.
In diesem Sinne eröffne ich die heutige Parteiversammlung.