Sonnenbrille, Mundschutz, Gesichtsmaske und andere  Kleidungsstücke

Kolumne Berner Oberländer vom 8. Oktober 2016

Neulich sassen bei einer Zugfahrt im Abteil nebenan zwei Leute: Er tätowiert im ganzen Gesicht, sie mit vielen Piercings und orangen Haaren. Beide mit einem anstrengenden Geruch.
In Bern angekommen, bin ich einer Gruppe glatzköpfiger Männer mit hohen schwarzen Stiefeln ausgewichen. Dann bin ich einem Bettler mit völlig zerfetzten Kleidern begegnet. Vor dem Zytglogge-Turm stand eine Gruppe asiatischer Touristen, einige von ihnen mit Mundschutz. Seit den Diskussionen um die Schweinegrippe boomt die Hygienemaske in asiatischen Ländern. Sie soll gegen Pollen und gegen die Übertragung von Viren schützen. Man trifft asiatische Maskenträger sogar auf dem Jungfraujoch.
Auf dem Weg zurück nach Interlaken – es war bereits Nacht – sass vis a vis ein junger Mann mit einer Sonnenbrille auf der Nase. Er nahm sie auch nach dem Aussteigen in die dunkle Nacht nicht ab. Das Gesicht liess sich nicht erkennen.

Letzte Woche wurde im Nationalrat über ein Burkaverbot debattiert. Bei der Vorstellung des Anliegens auf dem Bundesplatz trug ein Teilnehmender eine Bombenattrappe am Körper um für ein Verbot gegen die Gesichtsverschleierung zu werben. Spontan dachte ich mir, dass er zu diesem Zweck ja eigentlich die Attrappe ums Gesicht hätte tragen müssen. Die Bomben von Terroristen sind tatsächlich ein Problem. Leider passen sie unter fast jedes Kleidungsstück – wohl nur nicht unter einen Gesichtsschleier. Es ging um die Verhüllung des eigenen Gesichts und nicht ums Verbot langer schwarzer Mäntel aus Stoff oder Leder.
Ich bin damit einverstanden, dass bei der Integration von Immigranten Auflagen durchgesetzt werden. Ein ständiges Bleiberecht soll nur erhalten, wer sich nach unseren gesellschaftlichen Normen richtet. Diese besagen zum Beispiel, dass man sich offen begegnet, das Gesicht zeigt und sich bei der Begrüssung die Hände schüttelt. Es ist auch klar, dass beim Besuch von Amtsstellen der Schleier gelüftet oder auch der Töffhelm oder die Sonnenbrille weg gelegt werden muss.
Wie und wie weit sollen gesellschaftliche Normvorstellungen über die Bekleidung oder den Anstand geregelt werden? Würden wir das Händeschütteln in ein Gesetz oder Vorschriften über das korrekte Grüssen in die Verfassung schreiben?

Statt einem Gesichtsschleier kann man auch einen Mundschutz tragen. Das tun bereits manche arabische Touristen. Würde man dann von der Polizei eine Überprüfung jeder Maskenträgerin verlangen? Wie würde man dann die reine Angst vor einer Ansteckung vor Viren taxieren? Oder würde man bei Araberinnen verlangen die Maske auszuziehen und bei Japanerinnen nicht? In gewissen Herkunftsländern einiger unserer arabischen Touristen gibt es Religionswächter, die darauf schauen ob Männer lange Bärte tragen und sich Frauen verschleiern. Wollen wir auch so etwas? Zuerst natürlich nur für die, die hier das Gastrecht beanspruchen und auch nur für die Leute mit arabischer Herkunft. Wirklich ? Ich dachte eigentlich wir seien ein paar Schritte weiter.
Ich halte gesetzlich oder gar verfassungsmässig geregelte Kleidervorschriften für ein untaugliches Mittel die Ängste gegen den Terrorismus oder den Islam zu zerstreuen. Die Ängste nehme ich durchaus ernst. Gerade darum ist es wichtig Massnahmen zu diskutieren, die tatsächlich etwas bringen, wie zum Beispiel das Durchsetzen der Integrationsauflagen. Die wohl grösste und einzige Wirkung des Burkaverbots ist ein immenser wirtschaftlicher Schaden für unsere Region.