Hepatitis C – die stille Epidemie

Ich äussere mich hier obwohl es etwas heikel ist :
Ich bin Mitglied der eidgenössischen Arzneimittelkommission. Jener Kommission, bei der das BAG Rat einholt über die Zulassung von Medikamenten zur Kassenpflicht. Manchmal werden die Ratschläge der Kommission gehört  – manchmal auch nicht.
Ich äussere hier meine private Meinung ohne das Kommissionsgeheimnis zu verletzen.

Klar, die neuen Medikamente gegen Hepatitis-C sind teuer – sehr teuer sogar, ich teile diese Einschätzung des Bundes durchaus. Tatsächlich stellt sich die Frage, ob unser System diese hohen Preise noch lange aushält. Ob allerdings gerade die neuen Hepatitis-C Medikamente tatsächlich jene sind, mit denen man den ultimativen Kraftakt gegen die Pharma-Industrie wagen muss, wage ich zu bezweifeln.
Würde man in den blanken Zynismus verfallen könnte man hier schreiben, dass es viele drogenabhängige Patienten, die unter Hepatitis C leiden ruhig auf das Fortschreiten ihrer Leberzirrhose warten können. Erst dann nämlich übernehmen die Krankenkassen die Therapie, die in weit über 80% der Fälle zur Heilung führt.
Genau das n der Tat blanker Zynismus, denn genau diese Gruppe gibt das Virus weiter – nicht nur in ihren Kreisen. Geheilte Personen können keine weiteren Personen anstecken zudem laufen sie letztendlich nicht die Gefahr an einer Leberzirrhose zu erkranken, die dann möglicherweise via vorheriger Lebertransplantation schlussendlich doch zum Tode führt. Genau in der gleichen Patientengruppe gibt es viele HIV-positive Personen, deren HIV Therapie innerhalb von 4 Jahren gleich viel kostet wie die Hepatitis C-Therapie. Sie sind jedoch dann nicht von HIV geheilt, die Therapie geht über Jahre weiter und kostet ein x-faches der Hepatitis C-Heilung.  Würde man bei HIV die gleichen Massstäbe anwenden wie bei der Hepatitis-C könnte das heissen, dass man die HIV-Medikamente erst dann anwendet, wenn AIDS ausgebrochen ist. Diese öffentliche Diskussion würde wohl keiner führen wollen. Wie eingangs geschreiben – würde man diese Diskussion führen liefe man Gefahr als Zyniker verurteilt zu werden. Aber bei näherer Betrachtung macht das BAG genau das. Halt nicht mit HIV-Patienten aber mit Hepatitis-C Patienten.
Was man gerne vergisst : Es gibt noch andere Gruppen von Patienten, die sehnlichst darauf warten, dass ihre Hepatitis C therapiert werden kann : Es ist jene Personen, die sich während ihrer Arbeit mit Hepatitis C angesteckt haben. Seien es die Personen der Strassenreinigung, die sich an unsauberen Nadeln gestochen und dort infiziert haben oder das Pflegepersonal oder die Ärztinnen und Ärzte, die während ihrer Arbeit mit Hepatitis-C infizierten Patienten angesteckt haben. Oder dann gibt es auch noch die Hämophilie- oder Bluttransfusions-Patienten, die sich via Bluttransfusion angesteckt haben. Vor 1990 wurde das Spenderblut nicht auf Hepatitis-C getestet, aber Hepatitis C war damals schon existent.
Ihnen sagen wir heute : wir als Gesellschaft anerkennen zwar, dass Sie sich angesteckt haben, weil unser System versagt hat. Wir als Gesellschaft können uns ihre Therapie jedoch erst dann leisten, wenn ihre Leberzirrhose weit fortgeschritten ist. Bei aller durchaus gerechtfertigter Kritik an den zum Teil überbordenden Preisforderungen der Pharmaindustrie : Hepatitis C ist nicht das richtige Objekt um das Exempel zu statuieren ohne sich genau überlegt zu haben was man tut. Und da der Bund offensichtlich keine Strategie hat, wie mit Hepatitis C umgegangen werden soll, hat er genau die grundlegenden Überlegungen nicht gemacht. Dabei wäre dazu sehr lange Zeit gewesen. Die Medikamente sind nicht völlig überraschend im Markt aufgetaucht.
Und noch etwas : Es wurden in letzter Zeit einige Medikamente mit sehr deutlich höheren Therapiekosten zugelassen. Lebensverlängerung ca. 2 bis 4 Monate.
Endpunkt immer noch gleich : Tod; ich mag es jedem und jeder gönnen, die so Zeit gewinnt. Ich würde es wohl auch in Anspruch nehmen. Trotzdem : die Relation der Diskussion zwischen Heilung die teuer ist und Lebensverlängerung um 4 Monate die ca. gleich viel kostet gibt mir zu denken….