Demokratie – Ein System im Stresstest

Kolumne Bödeli-Info Juli 2017

Noch selten waren die politischen Entwicklungen rund um die Schweiz so spannend und gleichzeitig besorgniserregend wie in den vergangenen Wochen und Monaten. In den USA hat sich der neue Präsident während dem Wahlkampf das Regieren wohl etwas einfacher vorgestellt. In mehr als einer Region gar nicht so weit weg von uns können wir beobachten, dass viele Kontrollmechanismen der Demokratie ausgeschaltet werden.

Eines der wichtigsten Grundelemente einer funktionierenden Demokratie ist die Gewaltenteilung. Also die Trennung zwischen der gesetzgebenden Instanz (der Legislative), der ausführenden Instanz (der Exekutive) und den Gerichtsbehörden (der Judikative). In der direkten Demokratie ist das Volk die oberste Instanz der Legislative. Der Sinn der Gewaltentrennung ist die Machtbegrenzung einer einzelnen Staatsgewalt und damit die Sicherung von Freiheit und Gleichheit.

Die freie Presse gehört auch dazu, wenn sie neutral, sachlich, kritisch und fundiert analysiert und berichtet. Ohne vernünftige Informationen verkommen Diskussionen zu Glaubenskriegen ohne sachliches Fundament. So werden schlechte Entscheide gefällt. Nicht zuletzt deshalb wird die freie Presse auch als vierte Staatsgewalt angesehen.

Neulich gab es in Thun ein Streitgespräch zwischen Flavia Kleinert von der Operation Libero und Nationalrat Roger Köppel. Auf die Frage, ob in der Politik Lügen zulässig seien hat Roger Köppel laut Pressebericht geantwortet: „Mehrheit vor Wahrheit! Denn in der Schweiz ist das Volk als stimmberechtigte Einheit am Ende der Souverän des Staates und bestimmt was es glauben will.“

Selbstverständlich ist dieser Satz völlig aus dem Zusammenhang gerissen; ich war an der Veranstaltung nicht dabei. Falls er tatsächlich so gemeint war, so würde das einfach ausgedrückt heissen: Gibt es eine Mehrheit spielt es keine Rolle ob der Entscheid aufgrund von sachlichen Argumenten oder aufgrund von „alternativen Fakten“ gefallen ist. Das wäre höchst bedenklich, denn das Volk ist in einer Demokratie zwar die wichtigste und dominierende Instanz, aber eben doch letztlich nicht allmächtig. Es ist eingebettet in ein ausgewogenes Gesamtsystem, das auch grundlegende Verpflichtungen wie zum Beispiel Anerkennung der Menschenrechte als Grundlage anerkennt.

Einige Staaten setzen im Moment ihre Demokratie einem Stresstest aus. Die USA haben diesen Test bisher weitgehend bestanden. Die Kontrollmechanismen (Checks and Balances) zur Begrenzung der Macht einer einzelnen Instanz funktioniert. Auch wenn uns fast täglich neue befremdliche Meldungen erreichen: Das System greift. Die Gewaltentrennung steht auch nicht zur Debatte. Der Angriff auf die kritische Presse hat eine Diskussion über die Qualität der Journalistinnen und Journalisten und über die Ausrichtung einzelner Medienhäuser ausgelöst. Diese schärft das Bewusstsein welche Rolle der kritische Journalismus in einem funktionierenden Staatswesen haben muss.

In anderen Ländern hat der Demokratie-Stresstest versagt. Zuerst wurde die Pressefreiheit massiv eingeschränkt, dann wurde unter Mithilfe einer Volksabstimmung die Gewaltenteilung weitgehend aufgehoben. Leider gibt es nicht nur ein Land in dem solche Tendenzen festzustellen sind.

Damit uns die Demokratie erhalten bleibt und wir sie stärken können, braucht es einen gut organisierten und funktionierenden Staat und die freie Presse. Auch wenn es durchaus legitim ist einzelne Instanzen zu kritisieren, so darf das grundlegende Prinzip der Gewaltentrennung nicht in Frage gestellt werden.