Wie informieren Sie sich?

Verloren im Dschungel der Informationen. Kolumne Bödeli Info vom März 2020

In meiner Jugend gehörte das Oberländische Volksblatt quasi zur Pflichtlektüre. Um bei kantonalen und nationalen Angelegenheiten à jour zu sein gab es schon damals Bund und BZ. Praktisch jeder Haushalt hatte ein Zeitungsabonnement. Mittags um 12.30 berichtete Radio Beromünster und später Radio DRS über die Neuigkeiten des Tages. Am Mittagstisch wurde aufmerksam zugehört, niemand durfte während der Nachrichten sprechen. Die Fernseh-Tagesschau um 20 Uhr war ebenfalls ein Pflichttermin. In unserer Region konnte damals nur ein deutschsprachiger Sender empfangen werden. Die Information war stark kanalisiert.

Anfang der 80er Jahre veränderte sich die Vielfalt der Radio- und Fernsehprogramme. Private Lokalradios und Fernsehstationen wurden als Versuchsbetriebe zugelassen. Auch in dieser Zeit kam das Kabel- und Satellitenfernsehen dazu. Um einen Schlag vergrösserte sich die Informationsflut um ein Vielfaches. Die Informationsquellen standen in direkter Konkurrenz und buhlten mit Schlagzeilen und Geschichten um die Leser-, Hörer respektive Zuseherschaft.

Mit der Ausbreitung des Internets und der weltweiten Vernetzung über soziale Medien hat sich die Zahl der Informationsquellen explosionsartig vergrössert. Man kann sich heute sämtliche Informationen schnell und einfach aus dem Internet beschaffen. Das ist zwar im Lichte des freien Zugangs zu Informationen im Grunde kein Übel. Auf der anderen Seite kann heute jeder und jede (Falsch-) Meldungen verbreiten. Eindrücklich haben das die letzten amerikanischen Präsidentschaftswahlen gezeigt: Dort ist es offenbar einer Gruppe von findigen Internetunternehmern aus Mazedonien gelungen, Falschmeldungen so zu verbreiten, dass sie zum Wahlthema wurden. Es ging einzig allein darum, Leute auf die eigene Webseite zu ziehen, um mit den Klicks im Werbemarkt Geld zu verdienen. So wurde die Falschmeldung, dass Papst Franziskus Donald Trumps Kandidatur unterstützt habe, fast eine Million Mal auf Facebook geteilt. Und mit jedem Click verdiente jemand mit. Auch die Meldung, dass Asylbewerber mehr Unterstützung als Sozialhilfebezüger erhalten würden, verbreitete sich in kürzester Zeit, obwohl die Information nachweislich völlig falsch ist. Einziger Zweck der Information ist, mit einer skandalisierenden Falschaussage Stimmung zu machen. Diese Fehlinformation taucht genauso periodisch wieder auf wie jene, dass Facebook gerade die Nutzungsbedingungen ändert und man ihnen die Erlaubnis via Nachricht entziehen muss, private Bilder zu verwenden. Auch das ist nachweislich völliger Quatsch.

Politische Propaganda und das Schüren von Hass über gefälschte oder aus dem Zusammenhang gerissene Geschichten und Bilder sind an der Tagesordnung und werden als «Wahrheit» verbreitet und unkritisch geteilt. Ein guter Nährboden für den Populismus. Denn all dies führt dazu, dass viele Leute mit der Informationsflut überfordert sind. Twitter und Facebook finden, dass Unterscheidung zwischen Wahr und Unwahr eine Aufgabe der Konsumentinnen und Konsumenten ihrer Plattformen sei.

Twitter hat mittlerweile bezahlte politische Werbung vollständig verbannt. Facebook hat die Werberichtlinien angepasst, allerdings nicht für die politische Propaganda. Die Skandale haben dort offenbar kein Umdenken bewirkt.

Tageszeitungen, die sich zum Qualitätsjournalismus bekennen, sollten vermehrt «virale» Falschmeldungen aufnehmen und mit eigenen Faktenchecks auf den Wahrheitsgehalt überprüfen. So kann ein Beitrag geleistet werden, im Dschungel der Informationen wahre und unwahre Geschichten unterscheiden zu können.