Konsequent oder Stur ?

fKolumne Berner Oberländer 12. März 2016

Konsequent oder Stur?

Konsequente Politik ist heute links und rechts hoch im Kurs. Alles andere wird als Wischiwaschi dargestellt. Viele fürchten sich davor, von einer einmal gefassten Meinung abzuweichen um damit den Respekt der Wähler zu verlieren.

Gemessen an den Wähleranteilen entspricht die «konsequente Politik» heute dem Idealbild. Für mich ist es jedoch eher ein Ausdruck mangelnden Selbstvertrauens insbesondere in die eigene Urteilsfähigkeit, ein Ausdruck von tiefer Verunsicherung mit der Flucht hinter eine übernommene oder kaum hinterfragte Meinung.

Die Bergsteiger unter Ihnen wissen, von was ich schreibe: Wenn man losmarschiert und sich das Wetter nicht so entwickelt wie es die Vorhersagen prophezeit haben, dann kann man stur am Ziel festhalten mit dem Risiko in ein Unwetter zu geraten oder man lässt die Vernunft walten und bricht die Übung schweren Herzens ab. Auch wenn man über Jahre auf dieses Ziel hingearbeitet hat. Für mich ist es ein Zeichen der Stärke und der Disziplin, dass man seine eigenen Entscheidungen hinterfragt und akzeptiert, dass es nicht vorhergesehene Entwicklungen gibt. In dieser Situation kann ein übermässiges Selbstvertrauen ein Gegenspieler der Vernunft sein. Dann nennt man es Selbstüberschätzung.

Gute Manager zeichnen sich dadurch aus, dass sie einmal getroffene Entscheide zwar konsequent umsetzen, jedoch den Erfolg regelmässig den Risiken und neuen Entwicklungen gegenüberstellen und im Führungsteam die entsprechenden Signale erkennen, wann einmal gefasste Entscheide dem geänderten Umfeld anzupassen sind. Dann ist es richtig den Mut zu haben die Strategie anzupassen. Auch den Mut zu haben das Unverständnis der Umgebung in Kauf zu nehmen und unangenehme Entscheide im Sinne der Weiterentwicklung eines Unternehmens oder der Schadensminimierung zu treffen. Man kann auch das als Schwäche bezeichnen. Ich halte es für eine Stärke zu erkennen und vor allem einzugestehen, dass die getroffenen Entscheide wohl falsch waren oder externe oder auch interne Entwicklungen dazu beigetragen haben, dass das gewünschte Resultat verfehlt wird. Es braucht insbesondere das Vertrauen in die eigene Urteilsfähigkeit Entscheidungen zu treffen mit dem Risiko zu Scheitern. Es braucht ein gesundes Selbstvertrauen Entscheide zu überprüfen und die notwendigen Korrekturen anzubringen.

In der Politik ist es nicht anders: Sture Haltungen führen selten wirklich zum Ziel. Sie verhindern die konstruktive Mitarbeit an Lösungen weil das Resultat schon vor der Arbeit definiert wird. Entweder geht es dann nur darum das Problem am Leben zu erhalten, damit man es immer wieder besprechen kann oder es geht darum um jeden Preis zu gewinnen. Die Politik der Sturheit wird heute als konsequent bezeichnet – Ich vergleiche sie mit dem Snowboarder, der trotz Warnungen seine vorgefasste Route weiterfährt und eine Lawine auslöst. Jene Politiker, die die einmal festgelegten Haltungen hinterfragen und auch den Mut haben anders zu entscheiden, werden als «Wischiwaschi-Politiker» abgetan – Um beim Snowboarder zu bleiben vergleiche ich es mit jenem, der erkennt, wann die Risiken zu hoch sind und der Pulverhang nicht zu befahren ist – das nennt man dann schlicht Vernunft.
Ich bin überzeugt, dass uns sture und dogmatische Handlungsweisen keinen Zentimeter weiterbringen. Die Politik der Vernunft ist zwar weniger medienwirksam, aber trotzdem nachhaltiger und von wesentlich mehr Selbstvertrauen begleitet als das sture Festhalten an vorgefassten oder vom Manitu vorgegebenen Meinungen.