Don Quichote in der Pharmawelt

Kolumne Bödeli Info März 2019

Das Thema der Medikamentenversorgung gehört zu meinem Beruf und Lieferschwierigkeiten von Pharmafirmen gab’s schon früher. Waren es in den 90er Jahren noch wenige kurze Engpässe wurden es mit den Jahren immer mehr und die Dauer immer länger. Aktuell sind wir bei über 550 nicht lieferbaren Medikamenten.

Stellen Sie sich ein älteres Ehepaar vor, das seine Medikamente für die folgende Woche vorbereitet. Menschen in einem Alter von über 70 Jahren haben laut der Krankenversicherung Helsana im Durchschnitt etwa 9Medikamente verordnet, die sie zu unterschiedlichenTageszeiten, meist mehrmals täglich und in bestimmten Abständen, einnehmen müssen. Das an sich ist schon kompliziert genug. Jetzt kommen noch die Lieferengpässe dazu. Obwohl verschiedene Medikamente mit demselben Wirkstoff herausgegeben werden, sehen die Tabletten immer anders aus. Dass heisst, dass es einmal grüne runde Tabletten gibt und ein anderes Mal rote ovale Tabletten. Sie ahnen es: Fehler sind so programmiert. Damit sind nicht nur ältere Menschen zeitweilig überfordert, sondern viele, die mehrere Medikamente zu sich nehmen oder sie für Dritte vorbereiten müssen. Wenn dann ein Wirkstoff über längere Zeit gänzlich fehlt, so müssen Therapien umgestellt werden, was mit zusätzlichen Arztbesuchen verbunden ist.

Lieferschwierigkeiten haben in der der Regel einen Zusammenhang mit Kosten, der Globalisierung und der Konzentration der Wirkstoffproduktion mehrheitlich nachChina oder Indien – sowohl bei Generikafirmen wie auch bei Originalherstellern. Fliegt eine Fabrik in die Luft, so wie vor zwei Jahren im chinesischen Tanjin, fegt ein Wirbelsturm über ein Gebiet wo mehrere Wirkstoffhersteller angesiedelt sind, so wie in Puerto Rico, oder ist ein Wirkstoff verunreinigt wie beim Valsartan dann hat das länger dauernde globale Auswirkungen – auch auf die Schweiz. Nicht nur beim betroffenen Wirkstoff selber sondern auch bei den möglichen Alternativen. Der Aufwand die Patientinnen und Patienten adäquat zu versorgen ist deutlich grösser geworden. Die Verunsicherung ist gross.

In einer Mangelsituation steht bei den Patientinnen und Patienten sehr oft in erster Linie die Hausapotheke oder der Hausarzt oder eben die versorgende Spitalapotheke in der Kritik.

Auch mein Team und ich waren mit dem Vorwurf mangelhafter Nachschuborganisation konfrontiert. Deshalb habe ich im Jahr 2015 nach einer Auseinandersetzung mit einer Firma beschlossen auf eigene Faust die Webseite www.drugshortage.ch zu erstellen. Unsexy im Design und brutal langsam – aber wirkungsvoll und zurzeit mit grosser medialer Aufmerksamkeit. Die Webseite hat das Ziel Transparenz zu schaffen und die Kolleginnen und Kollegen zu befähigen rechtzeitig reagieren zu können. Zu Beginn wurde meine Aktion belächelt, aber der Druck hat nach rund drei Jahren Betrieb gewirkt. Tatsächlich sind mittlerweile immer mehr Firmen bereit rechtzeitig zu informieren. Fast alle Generika-Firmen machen mit und neu auch grosse Originalhersteller. Auch wenn dadurch die Medikamente trotzdem immer noch nicht lieferbar sind und das Problem immer grösser wird – wenigstens können wir uns und die Patientinnen und Patienten richtig orientieren und frühzeitig reagieren.

Und die Behörden und die Krankenkassen ? Sie ignorieren das Thema und finden, dass dies primär unser Problem sei und wir die Lage nicht im Griff hätten; Sie leben auf einem anderen Planeten.