Ein mühsames Thema. Die Grenzen des Marktes in der Versorgung mit Medikamenten

Kolumne Bödeli-Info  Juli 2019

Das Thema der Lieferengpässe von Medikamenten beschäftigt leider in immer in grösserem Masse. Wir erreichen von Woche zu Woche neue Höchststände.
Weil einige wichtige lebensnotwendige Arzneimittel in der Schweiz schon länger gar nicht mehr verfügbar sind, hat der Bund im Jahr 2010 die Möglichkeit geschaffen, dass wir in Ausnahmesituationen unbürokratisch Medikamente aus dem Ausland importieren können. Der Markt Schweiz ist für diese Produkte zu klein ist und die jährlichen Gebühren zu hoch. So ist es für einen Händler kaum interessant, solche Medikamente für die Schweiz zu registrieren.

Die Knappheit erreicht jetzt eine neue Dimension. Aktuell betroffen sind eine ganze Reihe von Arzneimitteln gegen «Volkskrankheiten» wie zum Beispiel Bluthochdruck, Epilepsie oder Parkinson. Im Unterschied zu Notfallmedikamenten müssen neu laufende Therapien umgestellt werden mit den entsprechenden Konsequenzen.

Die Pharmaindustrie bewegt sich im globalisierten Markt nicht anders als so viele andere auch. Warum sollte sie dem Mini-Bezüger Schweiz einen Sonderstatus einräumen? Bis jetzt haben wir die Kleinheit unseres Marktes mit höheren Preisen kompensiert, so war die Versorgung nie ein Problem.
In einem normalen Markt gelten die Regeln des Angebotes und der Nachfrage. Bei einer Verknappung steigen die Preise, es werden jene Länder bedient, die zahlen können. Bei einer Schwemme sinken die Preise. Im Medikamentenmarkt setzt korrekterweise der Staat die Höchstpreise fest. Dieses System stösst jedoch an seine Grenzen. Im Gegensatz zum Bund spreche ich deshalb nicht von einem Marktversagen, sondern von einem Regulierungsversagen. Selbstverständlich bin auch ich der Meinung, dass die Preise sehr vieler Arzneimittel in der Schweiz zu hoch sind. Und es ist auch richtig, dass wir irgendwo sparen müssen, um uns die teuren Medikamente überhaupt leisten zu können. Es nützt uns jedoch nichts, wenn die vergünstigten Medikamente gar nicht mehr zur Verfügung stehen. So können wir zwar seltene Krebsarten behandeln jedoch den Bluthochdruck nicht mehr oder nur noch mit den sehr teuren Alternativen. Deshalb muss mit Bedacht ins System eingegriffen werden.

In den letzten Wochen hat uns eine Meldung aus Belgien aufgeschreckt: den belgischen Medikamenten-Grosshändlern wurde verboten Medikamente ins Ausland zu exportieren, weil Holland und Frankreich ihre Lieferlücken mit belgischer Ware schliessen. Man stelle sich vor Frankreich und Deutschland würden ebenfalls Exporte verbieten. Das wird dort tatsächlich diskutiert. Dann kommt in der Schweiz die Medikamentenversorgung in vielen Bereichen völlig zum Erliegen.

Bis jetzt haben wir die Kleinheit unseres Marktes mit höheren Preisen kompensiert, so war die Versorgung selten ein Problem.

Die Schweiz hat eine grosse und starke Pharmaindustrie. Diese hat sich jedoch aus der Grundversorgung weitgehend verabschiedet. In der Schweiz werden kaum noch Wirkstoffe hergestellt. Mit biotechnologischen Verfahren hergestellte Medikamente gegen Krebsleiden oder andere seltene Spezialtherapien werden hierzulande noch produziert. Wir sind in der ganzen Grundversorgung abhängig vom Ausland ob es uns nun gefällt oder nicht. Das gilt auch für so «banale» Medikamente wie Ibuprofen oder Aspirin – auch die fehlen im Moment. Da hilft auch die Armee nicht, denn die ist wohl für die Verarbeitung der Wirkstoffe eingerichtet, nicht jedoch für die Wirkstoffproduktion. Und genau dort liegt das Problem. Wenn es im Ausland Schwierigkeiten mit der Versorgung gibt, dann gibt sie es auch bei uns. Unser System hat noch nicht gelernt mit der neuen Situation umzugehen. Ich habe leider auch kein Patentrezept.