Eröffnung Parteiversammlung vom 3.2.2016 BDP Kanton Bern

es gilt das gesprochene Wort !

Sehr geehrte Frau Regierungsrätin Sehr geehrter Herr alt-Bundesrat
Geschätzte Damen und Herren Mitglieder von nationalen und kantonalen Parlamenten
Liebe BDP Mitglieder
Geschätzte Gäste und Medienschaffende

Ich begrüsse Sie ganz herzlich zur ersten BDP Versammlung in diesem Jahr und der ersten in meiner Funktion als Präsident der BDP des Kantons Bern.
Es ist mittlerweile üblich dass man nach den ersten 100 Tagen im Amt eine erste Bilanz zieht. Das ist zwar erst übermorgen der Fall, aber ich habe dem Druck der Presse nachgegeben und wir haben die Versammlung zwei Tage früher angesetzt.

Das Positive zuerst: Unsere kantonale BDP Grossratsfraktion hat intensiv gearbeitet und in den letzten beiden Sessionen da und dort wichtige Entscheide geprägt. Sie hat in der vergangenen Novembersession insbesondere der Energiedebatte ihren Stempel aufgedrückt. Sie ist mit Anträgen zur Elektromobilität erfolgreich gewesen und sie hat Anträge durch gebracht die es ermöglicht haben, dass Steuerabzüge für energietechnische Sanierungen von Privathäusern über mehrere Jahre verteilt werden können, so dass die Motivation steigt Vorhaben auch in einem Guss zu realisieren. In der vergangenen Januarsession hat vor allem das Baugesetz viel zu sprechen gegeben. Zwar sind nicht alle Forderungen der Kulturinitiative umgesetzt worden, aber die Anliegen sind soweit erfüllt, dass das Initiativkomitee darüber diskutiert die Initiative allenfalls zurück zu ziehen. Auch diese Debatte hat die BDP aktiv mitgeprägt und entscheidende Vorschläge eingebracht.
Es macht Freude eine solch aktive Grossratsfraktion zu haben. Danke Euch allen.

Mehr Sorgen machen mir die aktuellen Entwicklungen in der nationalen Politik. Die Diskussionen über die Durchsetzungsinitiative zeigen, dass das Verständnis der Demokratie in unserem Land sich wandelt. Das wäre die nette Formulierung dessen was gerade passiert. Es wird so ziemlich alles in Frage gestellt was unsere Demokratie bisher ausgemacht hat. Sie hat gelebt von der Verlässlichkeit und der Stabilität, vom Zusammenspiel zwischen Volk, Parlament und Regierung und auch von der Gewaltentrennung als wichtige Grundregel und als Rahmen unserer direkten Demokratie. Dank diesen Säulen hat die Schweiz bisher trotz den grossen kulturellen Unterschieden zwischen den Sprachregionen und trotz den sehr unterschiedlichen Voraussetzungen zwischen Stadt und Land funktioniert. Auch die direkte Demokratie lebt von diesen Grundsäulen.
Die Durchsetzungsinitiative ist „nur“ eine von weiteren Initiative die an unserem Fundament sägen. Demnächst folgt die Initiative über die fremden Richter, die genauso problematisch ist.
Es gibt x Ausreden warum diese Initiative angeblich hat sein müssen. Und es hätte gleichzeitig etwa gleichviele Möglichkeiten gegeben es anders zu machen. Eine davon wäre gewesen das Referendum gegen das Ausführungsgesetz zur Ausschaffungsinitiative zu ergreifen. Nach eben unseren bisherigen demokratischen Spielregeln, die mit dieser Initiative mit Füssen getreten werden. Was für mich das Fass noch zum Überlaufen bringt sind Aussagen wie jene der „Diktatur des Staatsapparates“.
Hier gilt es entschieden Gegensteuer zu geben, egal aus welchem politischen Lager.
Genau darum haben fast alle Parteien heute morgen eine gemeinsame Medienmitteilung verschickt in der sie sich klar gegen die Durchsetzungsinitiative äussern.
Mit solchen Initiativen wird aktiv an unserem Staatswesen und am Rechtsstaat gesägt. Wenn wir hier nicht klar entgegnen so werden wir innert Kürze auf dem Niveau von Ungarn und Polen ankommen. Es ist nicht weiter verwunderlich dass rechtskonservative Kreise in der Schweiz die Entwicklungen in diesen beiden Ländern mit Applaus zur Kenntnis nehmen.
Bei uns wird argumentiert, dass „das Volk“ immer das letzte Wort hat.  In Polen wird argumentiert, dass man das Verfassungsgericht ausschalten kann, weil ja das Volk das letzte Wort habe und die Parlamentarier seien schliesslich vom Volk gewählt.

Das Volk darf fast alles – aber nicht ganz alles.
Der Rahmen nennt sich Menschenrechte. Und genau das Durchsetzen von Menschenrechten hat dazu geführt, dass Diktaturen zur Rechenschaft gezogen werden können. Ein weiterer Rahmen nennt sich auch Vernunft. Die Definition von Vernunft ist offenbar auch im Wandel begriffen.
Es macht mir grosse Sorgen, dass man mit Halbwahrheiten, polemischen und rein populistischen Aussagen und nachgewiesenen Fehlinformationen eine Abstimmung gewinnen kann. In diese Argumentationsschiene mischt sich noch die ganze Flüchtlingsproblematik. Ausländer generell und Flüchtlinge im Speziellen sind bei uns mittlerweile zum salonfähigen Schimpfwort geworden. Es geht soweit, dass man mir einen Migrationshintergrund vorwirft nur wegen meinem Namen. Tessiner gehören offenbar nicht zur Schweiz, auch wenn sie vor über 200 Jahren nach Erlach im Seeland gezogen sind.
Wer eine differenzierte Haltung vertritt wird genauso in den Senkel gestellt wie solche die das Problem der Kriminalität verharmlosen wollen und die Flüchtlingsproblematik völlig negieren. Wer nicht der Meinung des Wutbürgers ist, wird mit Schimpftiraden eingedeckt. Sei es auf Diskussionsplattformen in den Zeitungen wo das zum Teil anonym oder unter falschem Namen passiert, sei es in den Sozialen Medien.

Ich bin je länger je mehr überzeugt, dass es genau die BDP braucht! Jetzt ist die Politik der bürgerlichen Vernunft besonders gefragt. Die Politik die die Grundwerte unserer Demokratie aufrechterhalten will, die zu unserem Rechtsstaat steht und Sorge dazu trägt.

Der Wert unserer Demokratie misst sich daran wie gut sie mit Minderheiten umgeht. Das ist übrigens auch in unserer vom Volk verabschiedeten Bundesverfassung explizit festgehalten. Eben gerade nicht um eine Diktatur der Minderheiten einzurichten, sondern um das Zusammenleben in unserem Staat verlässlich und sicher zu machen. Das funktioniert nicht mit Ausgrenzung sondern mit geforderter und geförderter Integration. Und: selbstverständlich müssen Gesetze dort greifen, wo Unrecht passiert. Aber auf eine rechtsstaatlich gerechte Art und nicht durch Willkür.

Dass das differenzierte Denken nicht zu grandiosen politischen Erfolgen führt, das habe ich mittlerweile eingesehen. Und trotzdem: ich könnte mich nicht mehr im Spiegel ansehen, wenn einer meiner politischen Erfolge mit Halbwahrheiten, mit verzogenen Grafiken und mit populistischen Schaumschlägermethoden zu Stande käme.

Ich bin sicher: auch wenn wir kurzfristig Prügel kassieren: diese Haltung ist langfristig besser und vor allem ist sie ehrlicher. Neulich habe ich eine Journalistin zurückgefragt was denn bürgerlich genau sei als sie mich gefragt hat, ob die BDP überhaupt bürgerlich sei. Sie hat mir gesagt „nicht links“. Eine etwas gar sehr dünne Definition, was ich ihr auch gesagt habe.
Klar: „bürgerlich“ hat eine Abgrenzung gegen links. Aber bürgerlich zu sein heisst nicht einfach „nicht links“ zu sein. Es gibt genauso eine Abgrenzung gegen rechts und das wird zeitweilen beiseitegeschoben und vergessen.
Und ich wiederhole noch einmal was ich in meiner Antrittsrede im vergangenen Oktober schon einmal gesagt habe:
Für mich heisst bürgerliche Politik mit Vernunft und Verantwortung nicht nur für sich selber sondern in erster Linie für das Allgemeinwohl zu politisieren und dabei das gute Gewissen gegenüber der Gesellschaft und kommenden Generationen zu wahren. Denn Freiheit ganz allgemein setzt verantwortungsvolles Handeln zwingend voraus. Die Grenze von eigenverantwortlichem Handeln zur Entsolidarisierung und zum Egoismus liegt dort, wo das gute Gewissen gegenüber der Gesellschaft aufhört. Dazu gehört auch, dass man den gesellschaftlichen und ökologischen Entwicklungen Rechnung trägt und den Blick nach vorne richtet.

Darum bin ich bei der BDP und darum hat die BDP eine Zukunft. Jetzt erst recht.