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Wenn wichtige Arzneimittel verschwinden und wer dann verantwortlich ist….

Das Medikament Digoxin wird nur noch selten verwendet – aber es wird noch verwendet und es gibt Situationen in denen es – laut Aussagen von Spezialisten – die einzige Option ist.

Digoxin wurde früher von der Firma Novartis vertrieben. Dann war deren Tochterfirma Sandoz für das Produkt verantwortlich und schliesslich wurde das Dossier an die Firma Medius übertragen.

Diese teilt nun mit, dass sie das Präparat in der Schweiz aus Kostengründen nicht mehr vertreiben werde. Es sei aus diversen Ländern importierbar.
Bereits seit Anfang Juni ist das Präparat nicht mehr lieferbar.
Konsequenz ist, dass es keine schweizerische Zulassungsinhaberin mehr gibt.

Soweit so gut, könnte man meinen. Das Präparat ist weiterhin verfügbar. Das ist jedoch maximal die halbe Wahrheit.

Für all jene Patientinnen und Patienten, die aktuell noch damit eingestellt sind, muss eine Nachfolgelösung gefunden werden, soll die Therapie mit einer anderen, in der Schweiz zugelassenen Wirksubstanz  weitergeführt werden. Das ist mit zusätzlichen Arztbesuchen verbunden und muss kurzfristig erfolgen, da Therapieunterbrüche mit diesem Präparat sofortige Konsequenzen haben können.

Für all jene Patientinnen und Patienten, die auf das Präparat weiterhin angewiesen sind, beginnt jetzt die Odyssee …

Damit das Medikament von der Krankenkasse bezahlt wird, muss ein Kostengutsprachegesuch an den vertrauensärztlichen Dienst der jeweiligen Krankenkasse eingereicht werden. Wenn die Kostengutsprache überhaupt erfolgt, dann oft mit der Aussage, dass nur jener Preis bezahlt wird mit dem das Präparat bisher in der Spezialitätenliste war. Die Differenz darf den Patientinnen und Patienten nicht in Rechnung gestellt werden. Das heisst konkret: die Differenz verbleibt beim Leistungserbringer, der das „Pech“ hat diese Patientinnen und Patienten zu versorgen. Nicht selten folgt eine Ablehnung mit dem Hinweis, dass es Alternativen gäbe, ohne diese jedoch zu nennen. Wie wenn die Antragsstellerin dies nicht schon geprüft hätte. Das Prüfen der Alternativen ist einfacher als seitenlange Gesuche zu stellen ….

In der Schweiz konnten 100 Tabletten der 0,25 mg Dosierung mit 8.80 gegenüber der Krankenkasse abgerechnet werden. Die Tabletten reichen für 3 bis 4 Monate (Tagestherapiekosten rund 10 Rappen).
Der Verkaufspreis für Lenoxin, das entsprechende deutsche Präparat beträgt 17.20 Euro.
Das entsprechende Präparat in Frankreich gibt es nur als 30 er Packung. Umgerechnet beträgt der Verkaufspreis dort 9.96 Euro (für 100 Tabletten)

Beide Produkte sind also teurer als in der Schweiz.
Es liegt auf der Hand, dass hier eine Differenz entsteht, die zudem die entstandenen Zusatzkosten (wie Kostengutsprachegesuch, Importspesen, Risiko etc.) bei weitem nicht deckt.

Es ist möglich, dass es innerhalb von Europa noch andere Länder gibt, in denen die Preise vergleichbar sind wie in der Schweiz. Nur blendet genau das gleich drei Faktoren aus:
1. Die Sprache: Patientinnen und Patienten haben den berechtigten (und gesetzlich festgelegten) Anspruch zu verstehen was auf der Packung steht. Das ist z.B. mit skandinavischen, spanischen, portugiesischen oder ost-europäischen Packungen nicht gegeben.

2. Lieferkosten: die Medikamente müssen in die Schweiz geschickt werden. Das ist auch nicht kostenlos und diese Kosten muss auch „jemand“ bezahlen. D.h. bei einer Kostengutsprache mit dem bisherigen schweizerischen Preis ist nicht mal das Porto gedeckt, geschweige denn die Kosten des Produktes.

3. Verfügbarkeit: ist es denn einfach so gegeben, dass diese Präparate im günstigsten Land innerhalb von Europa auch verfügbar sind ? Nicht selten eben auch nicht. Auch das müsste nach der Idee einiger Krankenkasse in Kauf genommen werden. Die Differenz bleibt dann beim Leistungserbringer. Wie immer.

Jetzt könnte man zum Schluss kommen, dass doch jemand das Medikament zentral in der Schweiz beschaffen und den anderen zur Verfügung stellen könnte.
Das ist theoretisch möglich, nur braucht es dann eine Zulassung für das Produkt in der Schweiz. Ist das Präparat in der Schweiz nicht zugelassen, ist es aufgrund des Heilmittelgesetzes über den Grosshandel nicht verkehrsfähig. Das heisst: jeder Leistungserbringer muss selber importieren.

Ein anderer Punkt kommt noch dazu: Da es sich um ein in der Schweiz nicht (mehr) zugelassenes Produkt handelt übernimmt jene Person, die das Medikament verschreibt und /oder abgibt die volle haftungsrechtliche Verantwortung für das Produkt. Es handelt sich nicht nur um einen off-label use, sondern es geht um die Behandlung mit einem in der Schweiz nicht (mehr) zugelassenen Produkt. Die Haftung liegt also voll und ganz bei den Leistungserbringern respektive beim Importeur. Es kann zwar im Falle eines Falles die Firma im Ausland belangt werden. Jedoch eben auch da über den Leistungserbringer. Zudem muss der Importeur sicherstellen, dass die Prinzipien der Pharmakovigilanz eingehalten werden. Das heisst, dass sichergestellt wird, dass ein Rückzug einer Charge des betreffenden Produktes im Ausland auch in der Schweiz vollzogen werden kann.
Für die Firma ist das Problem gelöst, die Verantwortung liegt bei den Leistungserbringern.

Alternativ wäre es auch möglich Kapseln in einer Apotheke herstellen zu lassen via Magistralrezeptur.
Auch hier: der Amtstarif der sogenannten „Arzneimittelliste mit Tarif“ wurde letztmals im Jahr 1996 (!) grundlegend revidiert. Mittlerweile gibt es das Heilmittelgesetz (Einführung 2002) und zwei Revisionen davon (2010 und 2018) die die Bedingungen für die Herstellung deutlich verändert haben. Diese führen zu deutlich höheren Kosten, die vom Amtstarif – notabene verfügt von der gleichen Behörde, die für die Heilmittelgesetzrevision verantwortlich ist …. – bei Weitem nicht gedeckt sind. Es wäre zwar eine Alternative, die zudem ohne Kostengutsprache funktioniert, kommt aber deutlich teurer.
Nach aktuellem Tarif berechnet käme eine Kapsel auf ca. einen Franken. Effektiv kostendeckend wäre ca. 1 Franken 50, also 15mal mehr als die Tablette bisher kostet. Noch wenn: es selber herzustellen ist wegen der geringen therapeutischen Breite und dem sehr kleinen Wirkstoffgehalt heikel. Auch hier: die volle Verantwortung für das Produkt liegt bei der herstellenden Apotheke. D.h. noch einmal wird Risiko beim Leistungserbringer deponiert und dann noch zusätzlich reklamiert, dass es zu teuer sei….

Das Beispiel zeigt verschiedene wunde Punkte im aktuellen System:

1. Das Arzneimittelsortiment in der Schweiz wird im Wesentlichen durch die Zulassungsinhaber bestimmt. Was nicht rentiert, wird eliminiert. Niemand ist verpflichtet ein unrentables Produkt im Markt zu halten. Das ist an und für sich vom Prinzip her ok. Nur gibt es eben Grenzzonen:
Präparate, die zwar relativ selten gebraucht werden, jedoch nach wie vor ihren therapeutischen Platz haben, verschwinden trotzdem vom schweizerischen Markt mit allen vorher beschriebenen Konsequenzen. Dabei geht es nicht um obsolete Präparate, sondern nicht selten um Präparate, die in international als Standard anerkannt sind. So zum Beispiel ebenfalls aktuell der Cefpodoxim Sirup, das orale Antibiotikum der 1. Wahl für Säuglinge und Kleinkinder mit febriler Harnwegsinfektion (Pyelonephritis).

Will heissen: irgendjemand muss festlegen was ein wichtiges Produkt ist. Der bisher verwendete Begriff der „Lebensnotwendigkeit“ greift deutlich zu kurz. Genau dort scheitert die bisherige Versorgungspolitik. Ganz am Anfang. Dort wo eben definiert wird, was wesentlich ist und was nicht. Und dort liegt das Hauptdilemma. Der Bund kann nur via Landesversorgungsgesetz (darum wird der Begriff lebensnotwendig gebraucht). Deshalb wären an sich die Kantone zuständig. Die haben jedoch einerseits null Problembewusstsein andererseits fühlen sie sich auch nicht zuständig. Toll …. Die heissen Kartoffeln werden seit Jahren hin und her geschoben. Leidtragende sind letztendlich Patientinnen und Patienten respektive jene, die sie eigentlich nach dem Stand der Lehre behandeln respektive versorgen sollten.

2. ein Nachfolgelieferant wird kaum zu finden sein. Er kennt das Preisniveau und muss zudem ein vollständig neues Dossier einreichen. Ohne Perspektive einer Anpassung, da es dem BAG ganz offensichtlich egal ist ob das Produkt verfügbar ist oder nicht. Und letztendlich : wer genau würde jetzt aufgrund von was genau so einen Nachfolgehersteller suchen und auf seinen grenzenlosen Idealismus setzen, damit er die Vorinvestition der Erstellung eines Registrierungsdossiers macht, dann bem BAG einen Antrag einreicht und damit potentiell auf die Nase fällt. Man könnte ja auch eine öffentliche Ausschreibung machen. Nur auch hier: wer genau für die Versorgung der Schweiz ?

3. Wenn dann mal ein solches Produkt verschwindet stehen die Leistungserbringer alleine da. Sie dürften Gesuche stellen und sind auf den Goodwill einzelner Kassen angewiesen. Sie bleiben letztendlich auch auf dem Zusatzaufwand und den Zusatzkosten sitzen. Nicht dass das Krankenkassen, Behörden inklusive Preisüberwacher nicht bekannt wäre. Seit Jahren wird darauf hingewiesen. Zumindest von meiner Seite kann ich festhalten, dass ich das seit fast 20 Jahren tue. Passieren tut gar nichts. Ganz im Gegenteil. Mit verschiedenen Massnahmen wird dazu beigetragen, dass sich die Versorgungssituation „hausgemacht“, d.h. in der Schweiz verursacht, noch zusätzlich verschlechtert. Wenn man sich von der Industrie nicht erpressen lassen will, dann braucht es nun mal ein Gegenkonzept. Und das fällt nicht vom Himmel. Da nützen Schlagworte wenig. Im Gegenteil.

Wer nach wie vor Fan holländischer Preissysteme ist und immer noch behauptet Preise hätten damit nichts zu tun, darf sich gerne mit diesem Lancet-Artikel beschäftigen:

https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(22)01421-0/fulltext

4. Die Diskussion über teure Medikamente wird im Einheitsbrei geführt. D.h. grundsätzlich ist alles zu teuer. Es wird bunt gemischt zwischen den neueren Therapien, deren Monatstherapiekosten die Grössenordnung eines Mittelklasseautos einnehmen und solchen, die weniger als ein Stück Zucker kosten. Eine differenzierte Diskussion in diesem Thema scheint im Moment gar nicht möglich zu sein. All jene, die vor einer Verknappung warnen, werden als Pfründe-Verteidiger in eine Ecke gestellt. Genau so geht es den präsentierten Lösungsvorschlägen. Die werden als Lobbyvorschläge verschrien.
In diesem Zusammenhang stelle ich fest, dass wir uns ziemlich hemmungslos diesem Trauerspiel hingeben und alle Versorgungsprobleme via Patientinnen und Patienten austragen und in grossen Lettern nur noch von Kosten sprechen ohne dabei zu beachten, dass es durchaus diskutable Randzonen gibt. Insbesondere auf Seiten des BAG (Krankenversicherung) und einiger Krankenversicherer scheint jeglicher Mut zu fehlen, hinzustehen und effektiv nachhaltige Lösung anstreben. Der eine Krankenkassenverband verweigert dazu jegliche Diskussion(Cufu diskutiert – immerhin). Zusammen mit dem Preisüberwacher posaunen sie grossartig die Geschichte der zu hohen Preise, sind dann aber nicht bereit Mitverantwortung zu übernehmen, wenn das Konzept der Preissenkungen scheitert und genau das eintritt was seit Jahren prophezeit wird. Schön, wenn dann andere verantwortlich sind und das ganze ausbaden dürfen ….

Letztendlich geht es darum, dass Patientinnen und Patienten mit den richtigen Medikamenten versorgt werden können. Zumindest habe ich das bisher gemeint.

Man mag mir vorwerfen, dass ich hier nicht darstelle wie es denn gehen müsste. Das habe ich jedoch schon zigfach..,, nachzulesen ebenfalls in meinem Blog.

Von Koinzidenz, Korrelation und Kausalität

Von zufälliger Übereinstimmung, Zusammenhang und Ursächlichkeit

Die Verlaufskurven der Abnahme des Verkaufs von Musikkassetten und der Abnahme der Asthmatoten zwischen 2005 und 2013 sind praktisch deckungsgleich. (Quelle: https://www.heyde.ch Unterschied zwischen Korrelation und Kausalität). Es wird wohl kaum jemand ernsthaft behaupten, dass es zwischen den beiden Tendenzen einen direkten Zusammenhang gibt (Korrelation), noch dass die eine Grösse tatsächlich von der anderen abhängt (Kausalität). Also ist es eine rein zufällige Übereinstimmung – eine Koinzidenz oder eine Scheinkorrelation.
Die Verlaufskurve der Scheidungsrate im US-Bundesstatt Kentucky stimmen praktisch deckungsgleich mit jener der Leute überein, die nach einem Sturz aus einem Fischerboot ertrunken sind. Interessante Beispiele finden Sie hier: http://www.tylervigen.com/spurious-correlations.
Die Statistiken korrelieren. Sie gehen wohl mit mir einig, dass die Übereinstimmung reiner Zufall also eine Koinzidenz ist.
So einfach und einleuchtend die oben genannten Beispiele sind. Es gibt auch weit kompliziertere Beispiele, bei denen man nach einer kurzen Analyse darauf kommt, dass es einen Zusammenhang geben könnte, man jedoch bei der näheren Untersuchung feststellt, dass die Übereinstimmung rein zufällig ist. Um dies beweisen zu können, braucht es vertiefte Analysen und aufwändige statistische Testverfahren. Diese sind am aussagekräftigsten, wenn man die Resultate wiederholen kann. Wenn also beispielsweise die schwarze Katze von rechts immer Unglück bringt.
Eine etwas komplexere Fragestellung ist der Zusammenhang zwischen der Notwendigkeit von Corona-Massnahmen und der Übersterblichkeit. Die nicht vorhandene Übersterblichkeit als Mass für die Begründung der Nicht-Notwendigkeit der Corona-Massnahmen heranzuziehen halte ich für höchst problematisch. Das lässt sich so nicht beweisen, da die Sterblichkeitsraten von vielen Faktoren abhängig sind. Zum Beispiel war die Zahl der Grippetoten im Vergleich zu den Vorjahren tief. Während dem Lockdown wurde kaum Auto gefahren, die Leute sind zu Hause geblieben. Also gab es kaum Verkehrs- oder Skiunfälle. Betriebsunfälle in geschlossenen Firmen gab es kaum. Zu behaupten, die nicht vorhandene Übersterblichkeit zeige, dass die Massnahmen nicht notwendig gewesen seien, wäre in etwa so, wie wenn man aufgrund der tiefen Unfallzahlen im Winter behaupten würde, dass das Salzen der Strassen unnötig sei. Wir wissen es schlicht nicht. Die Gegenprobe fehlt: Was wäre gewesen, wenn keine Massnahmen getroffen worden wären? Schnelle Schlüsse lassen sich nicht ziehen. Deutlich fundiertere statistische Analysen sind notwendig, um die Zusammenhänge zu belegen oder zu widerlegen. Ein direkter Zusammenhang liesse sich wohl nur beweisen, wenn man einen weiteren Lockdown verfügen und die Effekte vergleichen würde. Das ist dann zwar wissenschaftlich sauber, aber wohl kaum ernsthaft gewünscht. Deshalb bleibt der Zusammenhang zwischen der Übersterblichkeit und der Notwendigkeit oder dem Effekt der Massnahmen vorerst reine Spekulation.
Seit 10 Jahren darf ich Kolumnen für’s Bödeli-Info schreiben. Zeit dieses Privileg weiterzugeben. Ich bedanke mich bei Ihnen liebe Leserinnen und Leser für die zahlreichen positiven Reaktionen. Und es ist richtig: falls die Kommata in meinen Texten richtig gesetzt waren, so war das eher eine Koinzidenz als dieser Umstand kausal mit meinem Wissen über die neue deutsche Rechtschreibung zusammenhängen würde.

Offener Brief an die Nationalrätinnen und Nationalräte betreffend Referenzpreissystem

25. Oktober 2020

Ich schreibe Ihnen in meiner Eigenschaft als Betreiber der Webseite www.drugshortage.ch und langjähriger Experte im Gebiet der Arzneimittelversorgung.

„First do no Harm“ (primum nihil nocere) ist der oberste Leitspruch in der Medizin. Bei den Diskussionen rund um das Referenzpreissystem bekomme ich den Eindruck, dass der oberste Leitspruch auf politischer Ebene „First cause no costs“ ist.

Personen, die sich gegen das Referenzpreissystem aussprechen werden als Pfründenverteidiger klassiert. Medizinische Argumente gelten kaum etwas. Ich verdiene kein Geld an Medikamenten – im Gegenteil. Ich bin unter anderem im Spital angestellt, um günstiger einzukaufen. Deshalb ist meine Position bezüglich der wirtschaftlichen Interessen neutral. Meine Kernaufgabe ist die Patientenversorgung und die Prozessoptimierung.

In den letzten Tagen ist in der Fachzeitschrift Health Policy ein Artikel erschienen, der die Versorgungslage und die Massnahmen der verschiedenen Länder sehr aktuell beleuchtet. https://reader.elsevier.com/reader/sd/pii/S0168851020302256?token=EA3AEB53FE286357D1F640B 1500053C4A58F190DE0A55B040632252284ED7133048070387C42FC3030BE4B992EFD7584

Wenn ein Referenzpreissystem eingeführt werden soll, dann müssen die Rahmenbedingungen dafür stimmen. Aktuell stimmen sie überhaupt nicht. Der im Minderheitsantrag Hess gemachte Vorschlag ist untauglich, um die Versorgungssicherheit zu stärken. Die Erhöhung von Preisen kurz vor der Abregistrierung hat keine kurzfristigen Effekte und der Vorschlag ist zudem völlig undifferenziert. Also alles andere als sauber durchdacht!
Es ist interessant, dass Interpharma dieses System unterstützt. Sie sind davon kaum betroffen, da sie die patentabgelaufenen Medikamente in der Regel auslizenzieren. Allerdings sind ehemalige Medikamente von Interpharma-Firmen durchaus sehr betroffen. So leiden eine ganze Reihe von ehemaligen Roche respektive Novartis-Produkten an Lieferengpässen. Dass dann im Antrag ausgerechnet noch Biosimilars von den Wettbewerbsmechanismen ausgeschlossen werden sollen, lässt tief blicken: praktisch alle Hersteller von Biosimilars sind bei Interpharma organisiert. Wenn „wirkstoffgleich“ nach den Regeln der Biosimilars ausgelegt wird (gleicher Hersteller, resp. Ur-Zelle), dann gibt es keinen fachlichen Grund, diese nach Klärung der nachfolgenden Rahmenbedingungen nicht in ein Wettbewerbssystem einzubeziehen. Genau so könnte man auch Immunsuppressiva ausschliessen, hier ist unter laufender Therapie der Wechsel vom Original auf’s Generikum oder umgekehrt auch problematisch – wenn auch aus anderen Gründen!

Wenn Preissysteme in dieser Art auf Gesetzesstufe geregelt werden, dann hat das weitreichende Folgen für die Versorgung. Ein Weg daraus hinaus ist kompliziert. Deshalb ist es besser solche Dinge auf Verordnungsstufe zu regeln. Das gibt grössere Flexibilität zu reagieren.
Folgende Punkte sind aus meiner Sicht notwendig:

  1. Ein obligatorisches Meldesystem für Lieferengpässe von verschreibungspflichtigen Produkten, wie dies in sehr vielen Ländern Europas bereits existiert (siehe Studie Vogler et al. Link am Anfang des Dokumentes). Für kassenpflichtige Medikamente kann das via KVG geregelt werden. Bei den lebenswichtigen Medikamenten, die nicht in der SL sind via bisheriges System (Landesversorgung). Das heutige System ist für Lieferengpässe bei Therapien für chronisch kranke Menschen untauglich (z.B. Epilepsie, Parkinson, gewisse Herzkrankheiten).
  2. Eine Klassierung der Wirkstoffe und Arzneiformen mit einem Ampelsystem Zum Beispiel könnten die Medikamente wie folgt klassiert werden:

    Grün für Arzneimittel respektive Arzneiformen, bei denen der Preiswettbewerb ohne Einschränkungen laufen kann. Das können zum Beispiel Antiallergika sein oder Magenmittel – mit Ausnahme z.B. spezieller Formen für Kinder, die dann in die Kategorie Gelb gehören.

    Gelb: Hier können Medikamente verzeichnet sein, bei denen Original und Generikum unter der Therapie nicht einfach austauschbar sind (Regeln der guten Substutionspraxis). Darunter fallen zum Beispiel Biosimilars oder Immunsuppressiva. Hier braucht es differenzierte Lösung für die Einstellung einer Therapie oder die Umstellung von einem Biosimilar auf das andere.

    Orange: für Arzneimittel respektive Arzneiformen, bei denen der Hersteller nachweisen soll, dass er über mindestens zwei äquivalente Wirkstoffquellen verfügt auf zwei verschiedenen Kontinenten, vorzugsweise eine in Europa. Dafür braucht es positive Anreize. Diesen Ansatz wählt beispielsweise die deutsche allgemeine öffentliche Krankenkasse (AOK) seit diesem Jahr in ihren Ausschreibungsverfahren. In dieser Klasse sind beispielsweise Medikamente gegen Tuberkulose, spezielle Arzneiformen für Kinder oder Menschen mit Einschränkungen, gewisse Antibiotika etc. oder Medikamente deren Ausfall eine unmittelbare Konsequenz haben. D.h. z.B. Antiepileptica, Parkinsonmedikamente, Antidepressiva.

    Rot für Arzneimittel für die Produktionskapazitäten in der Schweiz existieren sollen. Hier handelt es sich primär um lebenswichtige Medikamente, die zum Beispiel während der aktuellen Krise relevant sind. Das sind eher selten Medikamente, die direkt für die Krankenkassen relevant sind, sondern primär im Spital angewendet werden.
    Das wären zum Beispiel jene Medikamente, die beim BWL beschrieben sind.

    Die Klassierung muss nach einem risikobasierten Ansatz gestaltet werden. Das ist primär eine fachliche und keine politische Frage. Leitpunkt ist die Frage, ob ein kurzfristiger Ausfall eines Medikamentes einen raschen Einfluss auf die Therapie hat. So ist zum Beispiel der Ausfall eines Medikamentes gegen Epilepsie oder Parkinson mit sehr raschen Verschlechterungen des Allgemeinzustandes der Patienten verbunden. Beim Ausfall eines Medikamentes in der Psychiatrie sind die Folgen ebenfalls direkt spürbar, während beim Ausfall eines Schmerzmittels in der Regel Alternativen bestehen. Das aktuelle System orientiert sich am Umsatz. Das ist allerdings völlig irrelevant. Die Essentialität eines Produktes misst sich nie an Preisgrössen, sondern am spezifischen Einsatz. Auch das zeigt: das vorgeschlagene System ist alles andere als gut durchdacht! Einige Länder sind daran solche Systeme zu entwickeln. So zum Beispiel die USA, die das System in ihrem Bericht über «Drug Shortages: Root causes and potential solutions» vom Oktober 2019 beschrieben hat. https://www.fda.gov/drugs/drug- shortages/report-drug-shortages-root-causes-and-potential-solutions
  3. Der Bund hat Regeln für den Import von Arzneimittel aufgestellt. In den Verordnungen zum Heilmittelgesetz ist der Import ohne Zulassung erlaubt, wenn es keine zugelassene Alternative gibt oder das Medikament in der Schweiz zwar zugelassen, aber nicht verfügbar ist. Das ist schon mal gut. Diese Medikamente könnten via Artikel 71 KVG auch bezahlt werden. Die Verfahren dazu sind jedoch mit hohem bürokratischem Aufwand verbunden. Nimmt die Abregistrierung von wichtigen Arzneimitteln in der Schweiz weiter zu, so sprengt dies die Möglichkeiten der Leistungserbringer. Hier braucht es einfachere Mechanismen. Auch die bürokratischen Auflagen sollten einfach sein: So kann es nicht sein, dass die Leistungserbringer den günstigsten Preis in Europa herausfinden müssen, um ihre Patienten kurzfristig versorgen zu können. Die rasche Verfügbarkeit muss das oberste Ziel sein. Dafür geeignet sind umliegende Länder, die zudem die Packungsbeilagen in für die Patientinnen und Patienten verständlicher Sprache ausführen.
    Wird die Bürokratie nicht einfacher geregelt, dann sind viel teurere Präparate die einzige Alternative, um ohne grossen bürokratischen Aufwand zum Ziel zu kommen. Der Schaden ist programmiert. Einmal umgestellte Patientinnen und Patienten bleiben auf der teureren Therapie. Wenn das ursprüngliche Medikament wieder verfügbar ist dauert es lange bis das Niveau von vorher wieder erreicht ist. So kürzlich geschehen beim Leukämiemedikament Litalir (Monatstherapiekosten von 100.-) als bei Nichtverfügbarkeit auf das neuere Medikament Imatinib umgestellt werden musste (Monatstherapiekosten von rund 1400.-).
  4. Die ALT (Arzneimittelliste mit Tarif) muss dringlich revidiert und den aktuellen gesetzlichen Vorgaben angepasst werden. Die Liste stammt aus dem Jahr 2005. Seit damals sind zwei Revisionen des Heilmittelgesetzes verabschiedet worden, die grossen Einfluss auf die Herstellung haben. Die ALT ist das Hauptinstrument, um Ersatzlösungen grade für fehlende Kinderarzneimittel oder fehlende Medikamente für die schwächsten Patientengruppen kurzfristig möglich zu machen. Hier sind immerhin erste Schritte in die Wege geleitet. Das Bundesamt für Gesundheit hat das Problem erkannt.
  5. Die Möglichkeit für Exportstopps auf Stufe Grosshandel muss geschaffen werden
    Dieses System haben zum Beispiel Österreich und Belgien, sowie einige andere Länder etabliert. Ist ein Medikament als kritisch gemeldet, so darf es auf Grosshandels- respektive Detailhandelsstufe nicht mehr exportiert werden.
    Dies deshalb, weil zum Beispiel Deutschland die Engpässe in Österreich mit verursacht hat oder Frankreich jene in Belgien. Die lokalen Gesetze sind vom europäischen Gerichtshof bewilligt worden. Aktuell bedient sich Deutschland für einige Medikamente in der Schweiz (z.B. Aldomet oder Venlafaxin), weil der Weg über Österreich nicht geht. Die Schweiz kennt diese Möglichkeiten im Landesversorgungsgesetz. Sie sind allerdings dort primär auf die in diesem Gesetz relevanten Medikamente (lebenswichtige Medikamente) bezogen und auch hier sind Therapien für chronisch kranke Patientinnen und Patienten nicht erfasst (Epilepsie, Parkinson und andere). Exportstopps sind immer ultima ratio.
  6. Die Leistungen rund um die Organisation von nicht verfügbaren Medikamenten muss honoriert werden. Die Krankenkassen stehlen sich hier völlig aus der Verantwortung. Der Aufwand zur Organisation ist für die Leistungserbringer riesig.

Die Bemerkung der Konsumenten- respektive Patientenverbände, sich für die Preisbildung nicht von der Industrie erpressen zu lassen ist völlig richtig!
Nur dann braucht es einen Plan B!
Es kann nicht sein, dass sich sowohl die Politik auf nationaler und kantonaler Ebene wie auch die Krankenkassen völlig aus der Verantwortung nehmen und das Ausbaden der Konsequenzen von rigiden Preissystemen die Leistungserbringer und letztendlich die Patientinnen und Patienten zu tragen haben. Leider stellen wir fest, dass allein in den letzten drei Monaten mindestens vier wichtige Medikamente definitiv in der Schweiz nicht mehr zur Verfügung stehen : Wichtige Medikamente für die Palliativpflege (retardiertes Morphium als Suspension), das letzte zugelassene Medikament für die Therapie der hyperaktiven Blase für Kleinkinder, ein Medikament zur Akutbehandlung von Angststörungen und eines der wichtigsten Antibiotika in der Kindermedizin und in der Geburtshilfe. Solche Abregistrierungen gehen immer zu Lasten der schwächsten Patientengruppen. Preissysteme müssen flexibel bleiben, sich an sich sehr schnell verändernden Realitäten orientieren können. Preiswettbewerb braucht Rahmenbedingungen, die dazu führen, dass das übergeordnete Ziel „first do no harm“ erfüllt werden kann. Es geht hier nicht um Socken oder Bratwürste, es geht um Medikamente, auf die Patientinnen und Patienten eingestellt sind.
Wie sie aus dem Artikel von Vogler et al. (Link am Anfang) sehen können, haben praktisch alle Länder mit Referenzpreissystemen solche Rahmenbedingungen geschaffen. Frankreich und die Niederlande diskutieren im Moment sogar Pflichtlager für alle verschreibungspflichtigen Medikamente von mindestens 2 Monaten. Von der Erledigung dieser Hausaufgabe ist die Schweiz noch weit entfernt. Und eigentlich wäre das der erste Punkt, den es zu regeln gilt. Es nützt nichts, wenn die Medikamente zwar wenig kosten, aber dafür nicht mehr zur Verfügung stehen. Für ein Land wie die Schweiz ist das ein Armutszeugnis!
Das EU-Parlament hat diesen Umstand erkannt und die Resolution „Shortages of medicines – how to adress an emerging Problem“ mit 633 zu 10 Stimmen Ende September 2020 verabschiedet. Darin werden ähnliche Vorschläge gemacht, wie ich sie dargelegt habe. Das Dokument zeigt auch, dass es das Problem tatsächlich gibt – nicht nur wegen Corona. Corona hat es einzig sichtbarer gemacht. https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-9-2020-0228_EN.html

Im Sinne des „First do no Harm“ bitte ich Sie die Mehrheitsanträge zu unterstützen und die Anträge der Minderheit Hess abzulehnen. Damit öffnen Sie die Türen, damit ein System entstehen kann, das sowohl die Versorgung nachhaltig verbessert und gleichzeitig auch Wettbewerb zulässt. Mit der Zustimmung zu den Anträgen der Minderheit Hess giessen Sie ein System ohne Rahmenbedingungen in Beton. Ich halte das für fahrlässig, insbesondere wenn dies ohne die dargelegten Begleitmassnahmen passiert. Sie tragen letztendlich die Verantwortung dafür, die aktuelle Situation für die Patientinnen und Patienten zu verbessern oder mindestens nicht zu verschlechtern.

Mit Unterstützung der Motion der Kommission 20.3936 eliminieren Sie zudem die Fehlanreize beim Vertriebsanteil, eine seit langem dringende Korrektur, die Leistungserbringer nicht mehr bestrafen wird, die das Arzneimittel mit bestem Kosten/Nutzen Verhältnis verschreiben und abgeben. Diese Korrektur mit grosser Wirkung hat ebenfalls auf Ebene der Verordnung (Art. 38 KLV) zu erfolgen und nicht des Gesetzes.

Freundliche Grüsse
Dr. pharm. Enea Martinelli

Wie die Wissenschaft während der Corona-Krise Wissen schafft

Der Versuch einer Klärung von Verwirrungen

Die Wissenschaft vermittelt zurzeit ein widersprüchliches Bild rund um das Corona-Virus. Für den Laien sind die Schlagzeilen aus der Forschung sehr schwer nachvollziehbar und verwirrend. Tempo ist gefragt. Gute Wissenschaft und Tempo schliessen sich gegenseitig fast aus. Der Prozess vom Studiendesign bis zur Veröffentlichung der durch unabhängige Experten geprüften Publikation dauert normalerweise ein bis mehrere Jahre. Viel zu lange in der aktuellen Situation.
Im Gegensatz zu reinen Behauptungen und Einzelfallberichten lebt Wissenschaft davon, Thesen statistisch erhärtet zu beweisen oder zu verwerfen, Resultate von bereits gemachten Studien zu hinterfragen und mit neuen Methoden zu widerlegen oder zu bestätigen. Je jünger die Forschung zu einem Thema ist, desto grösser sind die Widersprüche in den Resultaten von Studien. Dieses Coronavirus wurde erst Ende 2019 entdeckt. Um die Mechanismen der Verbreitung des Sars-Cov2 Virus zu verstehen und daraus fundierte Entscheidungen abzuleiten oder um an CoviD erkrankte Patientinnen und Patienten erfolgreich behandeln zu können,war Wissen sofort gefragt. Dadurch ist ein Wissenschaftswettbewerb entstanden, den wir in dieser Form bisher nicht kannten.
Die Frage war nun, wie Studienresultate der Fachwelt so rasch wie möglich und in trotzdem qualitativ hochstehender Form zur Verfügung gestellt werden können.
Anfang der 90er Jahre wurden die ersten sogenannten Preprint-Server eingeführt. Studien können dort praktisch ohne Hürden hochgeladen werden, um sie der Diskussion in der Fachwelt auszusetzen, auch um die Chancen auf die spätere Veröffentlichung in renommierten Fachzeitschriften zu erhöhen. Das war bis zu Corona eigentlich kein Problem. Da die Zeit drängt und die Öffentlichkeit auf DEN Durchbruch wartet, haben diese Preprint-Server eine neue Bedeutung erhalten: Einige Medien stürzen sich jeweils wie Geier auf neu hochgeladene Studien und verkünden dann in grossen Lettern, dass unveröffentlichte Studien ein bestimmtes Resultat gezeigt hätten. Preprint-Publikationen sind jedoch nicht für Schlagzeilen gedacht, da sie nicht bewertet und wissenschaftlich eingeordnet sind. Die dort entstehende Diskussion wird dann in der Presse zu einem Wissenschaftsstreit hochstilisiert. Das ist kein Streit sondern ein wissenschaftlicher Austausch mit dem Ziel, rasch qualitativ gute Forschungsresultate zu erzielen. Genau das ist Sinn und Zweck dieser Plattformen. Auch Journalisten grösserer Schweizer Tageszeitungen sind darauf schon angesprungen und haben die Diskussionen missbraucht, um die Kompetenz bestimmter Forscher anzuzweifeln. Leider dominieren Schlagzeilen über Preprint-Studien und Diskussionen die Corona-Berichterstattung, womit der gute Zweck dieses Verfahrens völlig verloren geht.
Normalerweise erfolgt nach dieser Preprint-Phase vor der definitiven Publikation eine sogenannte Peer-Review durch unabhängige Experten und Experten. Je renommierter die Fachzeitschrift, desto höher die Hürden. Normalerweise. Auch hier wurde das Verfahren deutlich abgekürzt, so dass Studien rund um das Coronavirus viel schneller – innert weniger Tage – zur Publikation gelangen. Mit dem Vorteil der schnelleren Verfügbarkeit der Daten, mit dem Nachteil, dass auch Studien publiziert werden, deren Resultate sich später als eher fragwürdig herausstellen.
Die Forschung ist gefragt sehr schnell qualitativ einwandfreie,nicht widerlegbare Resultate zu liefern. Die Forderung nach Geschwindigkeit hindert sehr oft gutes wissenschaftliches Handwerk. Aus diesen Verwirrungen generelle Schlüsse zur gesamten Forschungswelt zu ziehen wäre jedoch völlig verkehrt. Normal ist rund um Corona nicht viel. Auch nicht in der Wissenschaft.

« Je jünger die Forschung zu einem Thema ist, desto grösser sind die Widersprüche in den Resultaten von Studien.Das ist völlig normal»

Wie informieren Sie sich?

Verloren im Dschungel der Informationen. Kolumne Bödeli Info vom März 2020

In meiner Jugend gehörte das Oberländische Volksblatt quasi zur Pflichtlektüre. Um bei kantonalen und nationalen Angelegenheiten à jour zu sein gab es schon damals Bund und BZ. Praktisch jeder Haushalt hatte ein Zeitungsabonnement. Mittags um 12.30 berichtete Radio Beromünster und später Radio DRS über die Neuigkeiten des Tages. Am Mittagstisch wurde aufmerksam zugehört, niemand durfte während der Nachrichten sprechen. Die Fernseh-Tagesschau um 20 Uhr war ebenfalls ein Pflichttermin. In unserer Region konnte damals nur ein deutschsprachiger Sender empfangen werden. Die Information war stark kanalisiert.

Anfang der 80er Jahre veränderte sich die Vielfalt der Radio- und Fernsehprogramme. Private Lokalradios und Fernsehstationen wurden als Versuchsbetriebe zugelassen. Auch in dieser Zeit kam das Kabel- und Satellitenfernsehen dazu. Um einen Schlag vergrösserte sich die Informationsflut um ein Vielfaches. Die Informationsquellen standen in direkter Konkurrenz und buhlten mit Schlagzeilen und Geschichten um die Leser-, Hörer respektive Zuseherschaft.

Mit der Ausbreitung des Internets und der weltweiten Vernetzung über soziale Medien hat sich die Zahl der Informationsquellen explosionsartig vergrössert. Man kann sich heute sämtliche Informationen schnell und einfach aus dem Internet beschaffen. Das ist zwar im Lichte des freien Zugangs zu Informationen im Grunde kein Übel. Auf der anderen Seite kann heute jeder und jede (Falsch-) Meldungen verbreiten. Eindrücklich haben das die letzten amerikanischen Präsidentschaftswahlen gezeigt: Dort ist es offenbar einer Gruppe von findigen Internetunternehmern aus Mazedonien gelungen, Falschmeldungen so zu verbreiten, dass sie zum Wahlthema wurden. Es ging einzig allein darum, Leute auf die eigene Webseite zu ziehen, um mit den Klicks im Werbemarkt Geld zu verdienen. So wurde die Falschmeldung, dass Papst Franziskus Donald Trumps Kandidatur unterstützt habe, fast eine Million Mal auf Facebook geteilt. Und mit jedem Click verdiente jemand mit. Auch die Meldung, dass Asylbewerber mehr Unterstützung als Sozialhilfebezüger erhalten würden, verbreitete sich in kürzester Zeit, obwohl die Information nachweislich völlig falsch ist. Einziger Zweck der Information ist, mit einer skandalisierenden Falschaussage Stimmung zu machen. Diese Fehlinformation taucht genauso periodisch wieder auf wie jene, dass Facebook gerade die Nutzungsbedingungen ändert und man ihnen die Erlaubnis via Nachricht entziehen muss, private Bilder zu verwenden. Auch das ist nachweislich völliger Quatsch.

Politische Propaganda und das Schüren von Hass über gefälschte oder aus dem Zusammenhang gerissene Geschichten und Bilder sind an der Tagesordnung und werden als «Wahrheit» verbreitet und unkritisch geteilt. Ein guter Nährboden für den Populismus. Denn all dies führt dazu, dass viele Leute mit der Informationsflut überfordert sind. Twitter und Facebook finden, dass Unterscheidung zwischen Wahr und Unwahr eine Aufgabe der Konsumentinnen und Konsumenten ihrer Plattformen sei.

Twitter hat mittlerweile bezahlte politische Werbung vollständig verbannt. Facebook hat die Werberichtlinien angepasst, allerdings nicht für die politische Propaganda. Die Skandale haben dort offenbar kein Umdenken bewirkt.

Tageszeitungen, die sich zum Qualitätsjournalismus bekennen, sollten vermehrt «virale» Falschmeldungen aufnehmen und mit eigenen Faktenchecks auf den Wahrheitsgehalt überprüfen. So kann ein Beitrag geleistet werden, im Dschungel der Informationen wahre und unwahre Geschichten unterscheiden zu können.

Pet-Flaschen am Brienzersee

Kolumne Bödeli-Info November 2019

Es ist viel einfacher, andere auf ihre inkonsequente Haltung hinzuweisen, als selbst etwas zu unternehmen.

Es gibt Klima-Leugner, Klima-Skeptiker, Klima-Warmisten und Klima-Alarmisten die sich darüber streiten ob es den Klimawandel nun gibt oder nicht. Ob er vom Menschen verursacht wird oder nicht und wenn ja zu welchem Anteil. Es gehört zu meinem Beruf wissenschaftliche Daten zu werten und die Schlüsse daraus zu ziehen. Ich halte nichts von blossen Behauptungen und verdrehten Wahrheiten – auch in den übrigen Bereichen meines Lebens. Die Daten lassen mich ohne Zweifel: Der Mensch und die von ihm verbrauchten Ressourcen tragen einen ganz erheblichen Anteil zum Klimawandel bei.

Szenenwechsel: Vor ein paar Wochen ist mir eine Gruppe Schweizer Jugendlicher am Brienzersee begegnet. Einer unter ihnen hatte gerade eine leere Pet-Flasche achtlos in ein Gebüsch geworfen, obwohl nur 50 Meter weiter ein Abfalleimer war. Ich ging die Flasche holen und habe sie ihm in die Hand gedrückt mit der freundlichen Aufforderung sie doch in den Abfalleimer zu werfen. Er sah mich verwundert an, hat jedoch meiner Bitte Folge geleistet. Ich habe gedankt, dass er mithelfe die Umgebung des Sees und die Umwelt sauber zu halten und ging weiter.

Auch kürzlich hatte ich eine Diskussion mit einem guten Bekannten über die Verbrennung fossiler Brennstoffe wie Öl. Bei ihn steht so oder so die Sanierung der Heizung an. Er argumentierte, dass die Ölheizungen in der Schweiz gerade mal zu 0,001 Promille des weltweiten C02 Ausstosses beitragen und für ihn deshalb nur eine Ölheizung in Frage komme. Nicht dass er sich eine Alternative nicht hätte leisten können und zudem erhebliche Zweifel bestehen, ob sich eine Ölheizung überhaupt noch rechnet. Es ging ihm ums Prinzip.

Wie es wohl gewesen wäre, wenn der vorhin erwähnte Jugendliche im gleichen Stil geantwortet hätte: Dass seine Flasche gerade mal 0,000001 Promille der Fläche des Brienzerseeufers einnehme und es für die globale Umwelt angesichts des viel grösseren Problems in China und Indien überhaupt nichts bringe, wenn er sich bemühe die Flasche in den Abfalleimer zu werfen.
Ein schräger Vergleich? Vielleicht.

Ja, ich fahre immer noch Auto wenn es sein muss, benutze mein Handy regelmässig, nehme ab und zu den Flieger und esse gerne Fleisch. Ich halte nichts von Fundamentalismus und missionarischem Eifer – weder auf der einen noch der anderen Seite. Aber es ist mir bewusst, dass es ein Umdenken braucht. Egal ob wir früher die Pullis unserer älteren Geschwister nachgetragen, kein Handy benutzt, draussen gespielt haben und auch nicht von den Eltern zur Schule gefahren wurden. Egal ob nun die Schüler am Freitag oder wie in der Schweiz am Samstag streiken und dann trotzdem die PET-Flaschen an den Brienzersee werfen, mit dem Flieger in die Ferien gehen und sich von den Eltern in die Schule fahren lassen. Und egal ob die Chinesen und Amerikaner deutlich mehr C02 pro Kopf produzieren als wir. Das alles lenkt in erster Linie von der eigenen Verantwortung ab. Es ist viel einfacher, andere auf ihre inkonsequente Haltung hinzuweisen, als selbst etwas zu unternehmen. Wenn viele Leute kleine Schritte gehen, so ergeben sich auch grosse Veränderungen. Auch wenn ich selber nur einen kleinen Bruchteil eines Promilles zur Klimaerwärmung beitrage: Viele Mäuse machen auch Mist – auch dann wenn sie nicht bis ins letzte Detail konsequent sind. Und sei es nur dass ich PET-Flaschen richtig entsorge, vermehrt den Zug und das Velo benutze und wir seit unserer Heizungssanierung via AVARI auf einheimisches Holz statt importiertes Öl setzen und das Wasser mit Sonne heizen.

Ein mühsames Thema. Die Grenzen des Marktes in der Versorgung mit Medikamenten

Kolumne Bödeli-Info  Juli 2019

Das Thema der Lieferengpässe von Medikamenten beschäftigt leider in immer in grösserem Masse. Wir erreichen von Woche zu Woche neue Höchststände.
Weil einige wichtige lebensnotwendige Arzneimittel in der Schweiz schon länger gar nicht mehr verfügbar sind, hat der Bund im Jahr 2010 die Möglichkeit geschaffen, dass wir in Ausnahmesituationen unbürokratisch Medikamente aus dem Ausland importieren können. Der Markt Schweiz ist für diese Produkte zu klein ist und die jährlichen Gebühren zu hoch. So ist es für einen Händler kaum interessant, solche Medikamente für die Schweiz zu registrieren.

Die Knappheit erreicht jetzt eine neue Dimension. Aktuell betroffen sind eine ganze Reihe von Arzneimitteln gegen «Volkskrankheiten» wie zum Beispiel Bluthochdruck, Epilepsie oder Parkinson. Im Unterschied zu Notfallmedikamenten müssen neu laufende Therapien umgestellt werden mit den entsprechenden Konsequenzen.

Die Pharmaindustrie bewegt sich im globalisierten Markt nicht anders als so viele andere auch. Warum sollte sie dem Mini-Bezüger Schweiz einen Sonderstatus einräumen? Bis jetzt haben wir die Kleinheit unseres Marktes mit höheren Preisen kompensiert, so war die Versorgung nie ein Problem.
In einem normalen Markt gelten die Regeln des Angebotes und der Nachfrage. Bei einer Verknappung steigen die Preise, es werden jene Länder bedient, die zahlen können. Bei einer Schwemme sinken die Preise. Im Medikamentenmarkt setzt korrekterweise der Staat die Höchstpreise fest. Dieses System stösst jedoch an seine Grenzen. Im Gegensatz zum Bund spreche ich deshalb nicht von einem Marktversagen, sondern von einem Regulierungsversagen. Selbstverständlich bin auch ich der Meinung, dass die Preise sehr vieler Arzneimittel in der Schweiz zu hoch sind. Und es ist auch richtig, dass wir irgendwo sparen müssen, um uns die teuren Medikamente überhaupt leisten zu können. Es nützt uns jedoch nichts, wenn die vergünstigten Medikamente gar nicht mehr zur Verfügung stehen. So können wir zwar seltene Krebsarten behandeln jedoch den Bluthochdruck nicht mehr oder nur noch mit den sehr teuren Alternativen. Deshalb muss mit Bedacht ins System eingegriffen werden.

In den letzten Wochen hat uns eine Meldung aus Belgien aufgeschreckt: den belgischen Medikamenten-Grosshändlern wurde verboten Medikamente ins Ausland zu exportieren, weil Holland und Frankreich ihre Lieferlücken mit belgischer Ware schliessen. Man stelle sich vor Frankreich und Deutschland würden ebenfalls Exporte verbieten. Das wird dort tatsächlich diskutiert. Dann kommt in der Schweiz die Medikamentenversorgung in vielen Bereichen völlig zum Erliegen.

Bis jetzt haben wir die Kleinheit unseres Marktes mit höheren Preisen kompensiert, so war die Versorgung selten ein Problem.

Die Schweiz hat eine grosse und starke Pharmaindustrie. Diese hat sich jedoch aus der Grundversorgung weitgehend verabschiedet. In der Schweiz werden kaum noch Wirkstoffe hergestellt. Mit biotechnologischen Verfahren hergestellte Medikamente gegen Krebsleiden oder andere seltene Spezialtherapien werden hierzulande noch produziert. Wir sind in der ganzen Grundversorgung abhängig vom Ausland ob es uns nun gefällt oder nicht. Das gilt auch für so «banale» Medikamente wie Ibuprofen oder Aspirin – auch die fehlen im Moment. Da hilft auch die Armee nicht, denn die ist wohl für die Verarbeitung der Wirkstoffe eingerichtet, nicht jedoch für die Wirkstoffproduktion. Und genau dort liegt das Problem. Wenn es im Ausland Schwierigkeiten mit der Versorgung gibt, dann gibt sie es auch bei uns. Unser System hat noch nicht gelernt mit der neuen Situation umzugehen. Ich habe leider auch kein Patentrezept.

Die Versorgung mit Arzneimitteln für die Behandlung von bisher gut beherrschten „Volkskrankheiten“ wie Bluthochdruck, Epilepsie oder Parkinson steht auf der Kippe!

Blog vom 28. Mai 2019

Heute am 28. Mai 2019 haben wir in der Schweiz die Marke von 600 Lieferengpässen von Medikamenten überschritten. Davon besonders betroffen sind Medikamente gegen Bluthochdruck. Mit über 130 fehlenden Packungsgrössen aus verschiedenen Wirkstoffgruppen führen sie die Liste an. Besonders problematisch sind die Epilepsiemedikamente, weil die Umstellung noch komplizierter ist als bei den Herzmedikamenten. Ebenso einige Parkinsonmedikamente bei denen die Anpassung der Therapie eng begleitet werden muss. Alle diese Therapiegebiete lösen im Moment zusätzliche Arztbesuche aus. Die Medikamente müssen neu eingestellt werden. Das geht nicht einfach so von heute auf morgen. Und absetzen kann man sie auch nicht einfach so. Man muss also handeln wenn sie fehlen.

All diese Medikamente sind nicht auf der Liste des Bundesamtes für wirtschaftliche Landesversorgung verzeichnet. Sie sind zwar durchaus ersetzbar, aber eben nicht ohne Begleitung und auch nicht ohne Komplikationen – gerade bei den Epilepsie- oder Parkinsonmedikamenten.

Der Bund hat mit der Revision des Heilmittelgesetzes seit dem Jahr 2010 auf die Situation reagiert und die Möglichkeit geschaffen, dass wir unbürokratisch Medikamente aus dem Ausland importieren können. Das half uns bisher die Patientenversorgung mehr oder weniger sicherzustellen.
Ungelöst Ist die Finanzierung. Die Kassen dürfen die Kosten dieser Medikamente nicht übernehmen weil sie nicht in der Spezialitätenliste stehen. Man kann einen Antrag stellen über eine Einzelfallbeurteilung. Das ist jedoch bürokratisch extrem aufwändig und die Aussicht auf Erfolg ist minimal. Der einfachere Weg für die Behandler ist die Umstellung – auch wenn das für die Patientinnen und Patienten nicht von Vorteil ist. Die Bürokratie verhindert die gute Lösung. Einmal umgestellt verbleiben die Patientinnen und Patienten dann auf diesen – meist teureren- Medikamente. Die Therapie ist definitiv umgestellt.
Wir haben uns bisher damit beholfen, dass wir dann halt das Medikament in Deutschland besorgt und das Schweizer Medikament abgerechnet haben. Das ist zwar nicht korrekt, aber es war bisher die einzige Möglichkeit Lieferengpässe mit Importen zu überbrücken ohne dass die Patienten umgestellt oder hohe bürokratische Hürden zu überwinden waren. Das Patientenwohl geht in diesen Situationen vor !

Gerade heute am Tag des Rekordhochs von Lieferengpässe kommt die Meldung aus Belgien, dass sie Grosshändlern verbieten Medikamente zu exportieren. Dies deshalb weil die Lieferengpässe sehr stark zugenommen haben. Der belgische Staat will verhindern, dass ihre Medikamente in erster Linie nach Holland exportiert werden, wo das Problem der Lieferengpässe noch grösser ist als bei uns. Wenn dieses Beispiel z.B. in Deutschland – wo das Problem nicht kleiner ist – Schule macht, dann haben wir in der Schweiz schlechte Karten. Die vielen Lieferengpässe werden für noch mehr Patientinnen und Patienten spürbar.

Und ebenfalls heute wurde in der ARD ein Bericht über Lieferengpässe in der Anästhesie in Deutschland wo hunderte Patienten statt einer Spinalanästhesie bei ihren Operationen eine Vollnarkose erhalten haben. Mit den entsprechenden Folgekosten respektive Folgen mit die Patientinnen und Patienten.

All diese Beispiele zeigen, dass Lieferengpässe von Medikamenten heute deutlich mehr umfassen als die „Kriegsversorgung“ und die Beschränkung auf lebensnotwenige Arzneimittel. Diese sind zwar ebenfalls betroffen doch bezüglich der Auswirkung für die Masse von Patientinnen und Patienten doch eher untergeordnet. Klar ist es überhaupt nicht gut, wenn im Moment auch die Zecken- oder die Tollwutimpfung fehlt. Klar ist es ein Problem, wenn Kinder nicht adäquat geimpft werden können. Aber die Masse der betroffenen Personen ist jetzt in anderen Therapiegruppen wie eben Bluthochdruck, Epilepsie und Parkinson in vielen Dimensionen grösser. Und genau die werden auf der Liste des Bundes nicht erfasst.

Die Amerikaner hatten übrigens beim Wirkstoff Losartan die „kreative“ Idee den Grenzwert für die krebserregenden Nitrosamine einfach für 6 Monate nach oben zu setzen, um nicht das gleiche Problem zu bekommen das es beim verunreinigten Valsartan bereits weltweit gibt. Auch ein Weg ……. bei uns sind alle Wirkstoffe der Gruppe der sehr breit angewendeten Sartane von Lieferengpässen betroffen. Bluthochdruck hatten wir doch eigentlich im Griff…. Das Problem mit den Verunreinigungen greift jetzt auch in andere Therapiegebiete so zum Beispiel Antidiabetica.

Was mich in der Situation tierisch nervt:
Es gibt immer noch Leute die finden, das Problem sei von völlig untergeordneter Bedeutung. So behauptet die Direktorin der Santésuisse bei jeder Gelegenheit, dass Lieferengpässe europaweit kaum zu beobachten seien. Für alle Leute die tagtäglich mit dem Management dieser Lieferengpässe zu tun haben sind solche Aussagen blanker Hohn! Sie sind völlig faktenfrei.
Es bringt auch nichts den schwarzen Peter den Spitälern zuzuschieben, die dem vernehmen nach ihre Lager abgebaut haben. Noch wenn es so wäre, das würde in der Masse der Probleme überhaupt nicht helfen. Die Listen wären gleich lang. Höhere Lager steuern die Auswirkungen auf die Patientinnen und Patienten. Die Listen führen allerdings nicht auf welche Lieferengpässe bis zu den Patienten gelangen. Die Listen des BWL und auch von Drugshortage.ch beschreiben den Weg von den Firmen zu den Detialhändlern und nicht den Weg bis zu den Patientinnen und Patienten. Und trotzdem : bei jedem Medikament das auf einer der Listen erscheint muss überlegt werden was zu tun ist. Sind Ersatzmedikamente zu organisieren, gibt es die überhaupt, muss man Therapiekonzepte anpassen etc. etc..

Selbstverständlich bin auch ich der Meinung, dass die Preise mancher Arzneimittel in der Schweiz zu hoch sind. Ich habe mehrfach bewiesen, dass ich mich für ein System einsetze, das aus dem investierten Franken das Optimum herausholt. Wenn das 2 Millionen Medikament von Novartis von der Börse gefeiert wird, gleichzeitig aber die Novartis-Tochterfirma Sandoz am heutigen Tag ganze 124 Medikamente nicht liefern kann, das sollte zu denken geben. Es ist richtig, dass wir sparen müssen, um uns die teuren Medikamente überhaupt leisten zu können. Die angedachten Pauschallösungen können zur Folge haben, dass genau das Gegenteil raus kommt : es nützt uns nichts wenn dann die vergünstigten Medikamente gar nicht mehr zur Verfügung stehen.

Lieferengpässe sind ein zunehmend ernstes Problem. Veränderungen im System mit potentiellen Auswirkungen auf die eh schon angespannte Versorgungslage sollten deshalb gut überlegt sein und auf aktuelle reale Entwicklungen und nicht primär auf blosse faktenfreie Behauptungen abstützen nur weil es im Moment gerade politisch opportun ist Arzneimittelpreise pauschal zu verurteilen. Sonst fliegt uns das System schon sehr bald um die Ohren. Zwar sind jene verantwortlich die ein System mit solchen Platitüden kippen, ausbaden müssen es am Schluss die Patientinnen und Patienten respektive auch die Prämienzahler. Ob es dann tatsächlich günstiger wird wage ich sehr zu bezweifeln, denn praktisch jede Umstellung, die in einer Engpasssituation erfolgt wird von einem günstigen auf ein teureres Produkt gemacht. Das sind die negativen Auswirkungen des vielbeschworenen Marktes. Er hat seine Gesetze und eben auch seine Grenzen. Insbesondere wenn am Schluss günstige Therapien durch teure ersetzt werden.

Links zu den angesprochenen Themenkreisen :

https://www.drugshortage.ch

https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2019/05/28/belgien-export-verbot-fuer-grosshaendler

https://www.swr.de/report/vollnarkose-statt-oertlicher-betaeubung-wie-aerzte-und-patienten-unter-lieferengpaessen-leiden/-/id=233454/did=23867142/nid=233454/cnwiej/index.html

Aussage Direktorin Santésuisse in Santémedia vom November 2018 https://www.facebook.com/enea.martinelli/videos/10214461531953545/

Zur ganzen Sendung : https://www.santemedia.ch/medikamente-wie-gut-ist-billig/

https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2019/03/26/nmba-verunreinigung-fda-erlaubt-erhoehten-grenzwert