Online-Foren und die Wiedereinführung des Prangers

Online-Foren und die Wiedereinführung des Prangers –

Kolumne Berner Oberländer vom 7.2.2015

Früher waren Zeitungen (aus Papier), Fernsehen und Radio die einzigen Kommunikationsmittel, über die eine breite Masse von Bürgerinnen und Bürger erreicht werden konnte. Wer seine Meinung öffentlich kundtun wollte, musste einen Leserbrief schreiben, der unter Einhaltung festgelegter Regeln meistens auch publiziert wurde. Das Kommunikationsverhalten hat sich mit der Verbreitung des Internet deutlich verändert. Alle können sich heute öffentlich und fast schrankenlos zu einem x-beliebigen Thema äussern. Jeder Zeitungsartikel wird online kommentiert, fast jede Fernsehsendung bietet die Möglichkeit auf den TV-eigenen Onlineplattformen diskutiert zu werden. Facebook und Twitter sind Plattformen zum Meinungsaustausch. Auch ich selber setze diese Medien gezielt ein, mit einer politischen Meinungsäusserung, mit einem Kommentar oder um aufzuzeigen was mir gerade wichtig ist. So wird auch diese Kolumne auf meiner Webseite im Blog stehen und in Facebook, Twitter und Google+ so verlinkt, dass sie sich noch weiter verbreitet, auch um mich der öffentlichen Diskussion zu stellen. Diese Art der Kommunikation ist heute ein wichtiger Teil der Meinungsbildung geworden. Ich schätze die Diskussionen auch mit Personen, die mit meinen Haltungen nicht einverstanden sind. Gute Entscheidungen sind letztendlich das Resultat des Abwägens und Gewichtens unterschiedlicher Positionen. Die Kehrseite der Medaille: Früher beschränkten sich die Diskussionen auf einen engen Kreis. Die Diskutierenden kannten sich, die Leserbriefe waren persönlich unterzeichnet – kurz : man wusste wer das Gegenüber ist. Heute geben einige Kommentatoren in Online-Foren einzig ein Kürzel oder sogar einen falschen Namen an. Sie verlieren Anstand und jegliche Hemmungen. Sie teilen sehr persönlich gezielte Tiraden aus, ohne zu fürchten, dass diese auf der gleichen persönlichen Ebene gekontert werden. Im Mittelalter nannte man diese Methode den Pranger. Eine Strafe mit dem Ziel die Bestraften der öffentlichen Schande auszusetzen und damit ein einigermassen normales Weiterleben in der Gesellschaft praktisch zu verunmöglichen. Heute setzt man sich zwar nicht mehr der Gefahr des Prügels aus, trotzdem nehmen die Diskussionen in den Online-Foren manchmal bedenkliche Formen an. Sie zielen oft ziemlich unter der Gürtellinie, direkt auf die Person. Gerade Politiker sehen sich mehr und mehr damit konfrontiert. Die einen reagieren gelassen und schaffen es dies zu ignorieren. Andere wiederum bekunden grosse Mühe. Sicher: Als Politiker setzt man sich dem weitgehend freiwillig aus. Ich gehöre da als BDP Nationalratskandidat auch dazu. Meine Methode: Wer mir respektlos begegnet kann auch von mir keinen Respekt erwarten. Obwohl mir das Recht auf freie Meinungsäusserung wichtig ist – respektlose Einträge werden dort gelöscht wo ich das kann und die Beitragsschreiber blockiert. Ein Mindestmass von „Netiquette“ ist auch von Online-Foren zu erwarten. Was die ungehemmten Tiradenschreiber vergessen: Bedeutet die politische Exposition gleichzeitig sich der Schande des Prangers auszusetzen, wird der Kreis der Personen, die sich freiwillig engagieren immer kleiner. Es gilt am Schluss nur noch die Meinung des Stärkeren oder des online besser organisierten Inquisitors. Politische Gegner werden „weggeschrieben“ oder eben „weggeprangert“. Das wäre dann das sichere Ende der Demokratie – und damit der durch moderne Kommunikation provozierte Rückfall ins tiefe Mittelalter.